Die Nacht der Uebergaenge
Grübeleien
gerissen wurde.
Sie schauderte vor innerer Kälte und machte sich in ihrem
Stuhl so klein wie möglich, als das Orakel seinem Zorn Luft machte. Die Luft
schien zu brennen und die Hitze traf sie mit einer Macht, die ihr den Atem
nahm. Nico hatte keine Ahnung, wie ihr geschah. Es war, als wäre sie plötzlich
aller Schutzwälle beraubt, die sie um sich herum aufgezogen hatte. Ihr Kopf
zuckte so heftig aus der gesenkten Position zurück, dass die Kapuze wieder auf
ihre Schultern glitt, während sie mit weit aufgerissenen Augen auf den Krieger
starrte, der immer noch am Tisch stand und bereit schien, sich auf sie zu
stürzen, sollte sie es erneut wagen, den Namen seiner Tochter auszusprechen.
Nico stöhnte gepeinigt auf und hielt sich mit beiden Händen
ihre linke Körperseite, als hätte sie plötzlich Schmerzen. Ihr Gesicht verzog
sich und sie fiel kurz gegen die Lehne in ihrem Rücken, ohne die linke Seite
des Kriegers aus den Augen zu lassen, die vor ihren Augen von Blut überfloss,
als sähe sie genau, welchen Schaden das Schwert von Manasses hinterlassen
hatte, dabei hatte das erneut fließende Blut aus seiner Wunde erst die inneren
Verbände erreicht.
„Nein…“, hauchte sie entsetzt und kniff die Augen fest
zusammen, was allerdings nicht verhinderten, dass sie die Bilder sah, die nun
auf sie einstürmten. Ein Ausblick auf ihre zukünftigen Fähigkeiten, die sie
eines Tages als verwandelte Breed zu beherrschen lernen würde.
„Wunderschön… Wie der aufkeimende Morgen… Verzauberte Augen…
Awendela!“, wisperte Nico, die sich fest gegen die Lehne presste, den Bildern
dennoch nicht entkommen konnte.
Kurze Zeit entspannte sich der Ausdruck ihres Gesichtes, dann
schlugen die Visionen umso härter zu, als sie miterleben musste, welches
Schicksal die wunderschöne, kleine Prinzessin ereilt hatte, die Nathan so sehr
geliebt hatte und immer noch mit größter Verzweiflung liebte. Sie schüttelte
immer wieder den Kopf, als könnte sie den Qualen entkommen, doch es gab kein
Entrinnen. Der Strom, der aus Nathan floss, war unaufhaltsam kraftvoll und
niederschmetternd.
Nico stieß einen spitzen Schrei aus und hielt sich mit der
Hand die linke Gesichtshälfte, während sie die Augen weit aufriss und blind vor
Fassungslosigkeit vor sich hinstarrte. Langsam glitten ihre Fingernägel
kratzend über die blasse Wange und hinterließen einen Wimpernschlag lang ein
groteskes rötliches Muster auf ihrer Haut. Vier feine Striemen wie bei
Awendela.
„ For she’s a jolly good fellow …”, sang sie mit
gebrochener Stimme, die bedenklich zitterte und nicht danach klang, als würde
es dabei etwas zu feiern geben. Eher so, als würde jemand versuchen, ihr die
Kehle zuzudrücken.
Nico atmete schluchzend auf, als sie wieder in die
Wirklichkeit zurückkehrte und wischte sich die feuchten Wangen mit den Ärmeln
ihres Gewandes trocken, obwohl die Tränen beständig weiter flossen. Mühsam
erhob sie sich aus ihrem Stuhl, da ihr Körper kaum noch genug Kraft aufbrachte,
sich selbst aufrecht zu halten, und suchte Nathans Blick, der sich nicht von
der Stelle gerührt hatte, als wäre er von einem Zauber gebannt worden.
„Es tut mir schrecklich leid, was deiner Tochter passiert
ist, Jagannatha… Und noch viel mehr leid tut es mir, dir widersprechen zu
müssen, selbst wenn mein Wort dir nichts bedeutet. Es ist nicht das Blut, das
in den Adern deiner Tochter fließt, das sie zu einem wichtigen Teil dieses
erwählten Kreises macht! Es sind die Leiden, die sie im Hause der Vijaya
erduldet hat… Die neue Quadruga wird aus vier Frauen bestehen, die
unglaubliche Qualen ertragen haben, als sie noch kaum die Kraft dafür besaßen,
diese zu meistern… Catalina … Die ungeliebte Tochter des Jägers Valeriu. Romana …
Die ihre Mutter in den Flammen sterben sah und ihre Schwester verlor. Awendela …
Deren Unschuld von einem abscheulichen Monster zerstört wurde…“
Nico stockte und schloss gequält die Augen, weil sie den Schmerz und die Wut in
dem Blick des Kriegers kaum noch zu ertragen vermochte. Beinahe wünschte sie
sich, er würde sie angreifen, damit er den inneren durch einen äußeren Schmerz
übertönte, der für sie viel leichter zu ertragen sein würde.
„ Nicolasa … Die die Qualen der Welt auf ihre Schultern
lädt, seit sie ein kleines Mädchen ist und nicht daran zerbricht…“, hörte sie
Catalina mit tränenerstickter Stimme wispern.
Nico senkte betroffen den Kopf und bedeckte ihr Gesicht mit
beiden
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