Die Nacht der Uebergaenge

gibt“, setzte die weise Frau mit klarer Stimme an,
doch ihr bedauernder Blick ruhte auf Nicos Schopf, die ihr Gesicht in Nathans
Brust vergraben hatte und sich haltsuchend an ihn klammerte.
    Der Anblick schmerzte sie mehr, als sich die Bande hier
vorstellen konnte. Es zerriss ihr das Herz, dass Nico schon vor der Umwandlung
dazu fähig war, solche Dinge zu sehen. Ihre Fähigkeiten würden nur stärker
werden, je länger die Umwandlung auf sich warten ließ. Sie war ebenfalls
auserwählt, einen besonderen Platz in ihren Reihen einzunehmen, also
schlummerten in ihr ungeahnte Kräfte, die selbst sie als Orakel nicht gänzlich
bestimmen konnte.
    „Wir haben keine Wahl, wenn es um die Inhalte geht, die uns
eröffnet werden, ob wir nun darauf vorbereitet sind oder nicht… Nicolasa hätte
die Vision in jedem Fall gehabt, ich konnte nur verhindern, dass sie sie
anheimfiel, ohne dass jemand zugegen war, der sie danach wieder auffangen konnte.
Ich lieh ihr für diese Zeit einen Teil meiner Kräfte, um sie vor mentalen
Schäden zu schützen. Es steht nicht einmal in meiner Macht, die Bilder
von ihr fern zu halten. Es wird leichter werden, wenn sie ihre Fähigkeiten voll
entfaltet hat, auch wenn das nur ein schwacher Trost ist. Scheue dich niemals,
mich persönlich um Hilfe zu bitten, Nicolasa. Wir sind Schwestern im Geiste,
mein Kind“, sprach sie sanft und klang dabei beinahe mütterlich.
    Salama ließ nur sehr selten zu, dass ihre Zuneigung für ihre
Mitmenschen durchbrach, weil ihr Amt von ihr viel abverlangte. Sie musste
Distanz zu den Menschen aufrecht erhalten, weil es ihre Aufgabe war, die
schlimmsten aber auch die schönsten Momente in den Leben ihres Volkes
mitzuerleben, als würde sie Teil davon sein. Sie löste Glück aber auch Hass und
Entsetzen aus, damit musste nun auch Nicolasa zurechtkommen. Die meisten
Menschen wollten um ihr Schicksal nichts wissen, auch wenn sie das Gegenteil
behaupteten.
    Nico warf ihr einen ungläubigen Blick durch tränenfeuchte
Wimpern zu, was sie herzzerreißend hilflos und verloren aussehen ließ. Durch
den neuen Haarschnitt wurde das noch betont und ein Mann musste ein Herz aus
Stein haben, wenn er sich davon nicht erweichen lassen würde.
    „Es wird an dir sein, die anderen Drei auch zu sehen. Soweit
ich sagen kann, wird es nicht mehr so schlimm zu ertragen sein, Nicolasa. Die
Quadruga unterliegt den heftigsten Strömungen, das liegt in der Natur der
Sache. Es geht schließlich um die vier Erdgewalten. Fühlst Du dich ein wenig besser?“
    Nico lehnte ihre Stirn kurz gegen die breite Brust des
Kriegers, wo sie genau über seinem schlagenden Herzen zum Ruhen kam. Sie schien
plötzlich jegliche Scheu, die sie bisher vor ihm empfunden hatte, abzulegen.
Nico konnte ihr Herz niemals sehr lange verschließen, das war ihre stärkste
Kraft aber auch ihre größte Schwäche. Ein Gleichgewicht darin zu finden, würde
schmerzliche Erfahrungen nach sich ziehen, wie es an diesem Wochenende schon
geschehen war.
Das Orakel wartete, bis Nico sich schließlich von Jagannatha gelöst hatte,
wobei sie mit einem hoffnungsvollen Lächeln zu ihm aufsah. Ihre Augen
leuchteten voller Mitgefühl und Wärme, während sie seinen Arm entlang strich
und schließlich eine seiner großen Hände mit ihren zarten Händen umfasste.
    - Deine Tochter erwartet ein stürmisches aber kein
schreckliches Schicksal, ehrenwerter Krieger. Catalina wird die Brücke bilden,
die euch einander wieder so nahe bringen wird, wie ihr es damals empfunden
habt. Du hast gedacht, es kann nie wieder sein, doch die Zeit hat Heilung
gebracht… Ihr Platz ist hier an deiner und unserer Seite -, sprach die
kleine Sophora mit Inbrunst und Gewissheit, bevor sie den Krieger frei gab und
sich an ihren Platz setzte.
    Auf ihrem ausdrucksstarken Gesicht spiegelten sich die
unterschiedlichsten Emotionen, so dass es aussah, als stünde sie noch zwischen
Lachen und Weinen. Sie hatte ihre erste Schlacht mehr als erfolgreich
geschlagen, auch wenn die Krieger das vielleicht nicht so sehen würden.
     
    Nathan war Nico für ihren Zuspruch und für die kleine
Offenbarung von Wendys Zukunft sehr dankbar. Sie machte es ihm leicht, das
harte Los des Schicksals zu akzeptieren und seine Tochter in die unweigerlich
bevorstehenden Kämpfe ziehen zu lassen.
Sie spendeten einander Trost, als sie diesen am meisten brauchten. Nico gab ihn
frei und setzte sich wieder auf ihren Platz. Auch er nahm seinen zwischen
Romana und Ray wieder ein. Salamas freundliche Worte