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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Nacht…
    Der Schein des Mondes, der durch die nackten Scheiben der
Fenster in das kärglich eingerichtete Zimmer geflutet war, hatte ihn vom
Schlafen abgehalten. Das Licht der Sonne brachte tagsüber noch ein bisschen
heimelige Wärme in das Apartment hinein, doch die silbernen Strahlen des
Erdtrabanten ließen es verlassen und unbewohnt aussehen.
Nackte Wände, nackte Holzböden, eine nackte Küchenzeile, die den Wohnraum vom
Essbereich abtrennte. Eine Futonmatratze lag halb verdeckt hinter einem
schwarzen Paravent auf dem Boden. Eine achtlos zur Seite geworfene graue Decke
war der einzige Beweis dafür, dass hier jemand lebte und wohl vor kurzem noch
geschlafen oder versucht hatte, das zu tun.
    Alles war so penibel aufgeräumt, dass man annehmen könnte,
der Vormieter wäre soeben ausgezogen, so dass die Wohnung gleich an den
nächsten Besitzer weitergegeben werden könnte.
Oder war es einfach so, dass der Bewohner nicht viel Zeit darin verbrachte?
Das Rauschen der Spülung aus dem winzigen Bad durchbrach die Stille der Nacht,
dann trat ein Mann mit bloßem Oberkörper das Zimmer, während er den Bund der
dunklen Sweatpants über den schmalen Hüften zurecht zog. Er rieb sich mit
beiden Händen über das Gesicht, als wäre er müde, doch es war nur der Mond, der
ihn rief und vom wohlverdienten Schlaf abhielt.
Er griff sich in einer flüssigen Bewegung an den Hinterkopf und löste die
Schleife des Lederbandes, das seine Haare bisher im Nacken zusammen gehalten
hatte, so dass sie sich wie ein schwarzer Schleier über seine Schultern bis zu
seiner Taille ergossen, als wären es die ausgebreiteten Schwingen eines Raben.
    Trotz der inneren Unruhe, die ihn wach hielt, waren seine
Bewegungen fließend und ohne Hast. Er schritt an den nackten Tisch, der entlang
der Wand unterhalb den großen Panoramafenstern stand, die er nach seinem Einzug
auf eigene Kosten hatte einbauen lassen, weil er für seine Arbeit mehr Licht
brauchte, als die alten Fenster ihm geboten hatten. Er war ein Künstler.
Zumindest war das die geheimnisvolle Fassade, die er seiner Umwelt bot. Es gab
nicht viele Menschen, die ihn wirklich kannten oder wussten, was seine
wirkliche Bestimmung war.
    King öffnete einige der Schubladen und holte die benötigten
Utensilien hervor, die er alle beinahe einem Ritual gleich zur linken Seite des
Schemels aufbaute, auf dem er sich gleich niederlassen würde, um die Zeit
sinnvoll für seine Arbeit zu nutzen. Für ihn war es nicht von Bedeutung, unter
welchem Licht er seine Pinselstriche vollführte, der Mond schien voll und hell.
Er wählte die Farben intuitiv aus, was seinem Werk eine einzigartige Note
verlieh, die ihm einen achtbaren Ruf in der asiatischen Kunstwelt eingebracht
hatte.
    Als er alles zu seiner Zufriedenheit aufgebaut hatte, zog er
unter dem grob gezimmerten Tisch, den er auf einem Flohmarkt erstanden hatte,
eine Holzkiste hervor, die mit mehreren Aufklebern des amerikanischen Zolls
versehen war. Bei Waren aus dem fernen Osten war man besonders vorsichtig,
besonders wenn es sich dabei um solche Gefäße handelte wie diese Urnen, in
denen man gut und gerne ein paar Kilo Drogen hätte schmuggeln können.
    Der Künstler bevorzugte Originalware aus seinem Heimatland.
Feinstes Porzellan, das in entlegenen Dörfern nach traditioneller Art gefertigt
wurde. Seine Art, Fairtrade zu betreiben, da er um die ärmlichen
Lebensumstände vieler seiner Landsleute wusste, die er mit seinen begrenzten
Möglichkeiten gerne unterstützte. Durch seine Arbeit würden diese einfachen
Urnen unbezahlbare Kostbarkeiten werden, doch er empfand darüber keinen
übermäßigen Stolz. Man hatte ihm diese Gabe in die Wiege gelegt und sie verhalf
ihm dazu, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und seinen aufgewühlten Geist zu
besänftigen, wenn er von einer Mission zurück in eine leere Wohnung kehrte.
    Es war ihm sehr schwer gefallen, sich an die neuen
Lebensumstände in Amerika zu gewöhnen, als er vor Jahren in das Land geschickt
worden war, in dem sein Schicksal auf ihn wartete. Überall dieser Lärm, das
pausenlose Gerede und die Oberflächlichkeit der Beziehungen zwischen Menschen,
die sich nur für sich selbst interessierten.
    Der junge Mann nahm auf dem dreibeinigen Schemel Platz und
stellte die Urne vor sich auf dem Tisch ab, um dann die Augen zu schließen und
den Gegenstand vor seinem inneren Auge zu visualisieren, bis er genau vor sich
sah, wie das Gefäß am Ende aussehen würde. Er wählte die Farben und verteilte
sie

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