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Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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belastet zu werden.
Er hatte King fest in sein Herz geschlossen und langsam wurde ihm klar, dass er
ihn bald hier zurücklassen musste, eine unerträgliche Vorstellung.
    Der Junge war nach einer Woche des Leidens zu ihm in seine
karg ausgestattete Zelle gekommen, die ihm nur zustand, weil er ein zahlender
Gast war. Alle anderen Jungen wohnten in Gemeinschaftsräumen und schliefen auf
Pritschen. Dagegen war sein Zimmer das reinste Hilton.
King hatte ihm Salbe für die Wunden Stellen an seinen Füßen und Händen gebracht
und mehr zu essen, obwohl er es eigentlich nicht verdiente, weil er in seinem
Herzen Zorn gegen ihn gehegt hatte, da er sich in seinem Stolz getroffen
fühlte.
Eine von vielen Lektionen, die er hier gelernt hatte … Demut gehörte
definitiv dazu.
    Shane verneigte sich tief vor der Gottheit, bis seine Stirn
den Boden berührte und sprang dann behände auf, um diesen Ort der Stille zu
verlassen. Es war schon spät. Die anderen würden sich bald schlafen legen, ein
neuer Tag voller Qualen stand Morgen an. Er selbst trainierte seit Wochen
ausschließlich mit King, nachdem er sich langsam von der jüngsten zur ältesten
Trainingsgruppe hochgearbeitet hatte.
    Shane zog die einfache Wollmütze über den kahl rasierten
Schädel, den er erst gestern wieder in Form gebracht hatte. Inzwischen schien
sein eigenes Gesicht nur noch aus Augen zu bestehen, weil seine Wangen leicht
eingefallen waren, aber dafür würden seine Blutwerte phänomenal sein, weil er
keinen Fast-Food-Mist in sich reinstopfte. Das wäre mal die richtige Therapie
für all die Wohlstandsmenschen da draußen, obwohl die sicher nach fünf Sekunden
des Trainings zusammenbrechen würden.
    King trainierte gerade wieder nur für sich. Es war
unglaublich, wie er das jeden Tag schaffte, ohne je ein Zeichen des Verzagens
zu zeigen. Er war immer freundlich und offen, wenn er nicht gerade den
Lehrmeister heraus hängen ließ.
Shane grinste vor sich hin und füllte eine Schale aus dem am Eingang
bereitstehenden Bottich mit Wasser, in das er eine Blüte tat, die er im Tempel
aufgegriffen hatte. Eine Geste des Willkommens oder der Freundschaft. Mit tief
empfundenem Respekt sah er dem Jungen bei der Ausübung der Waffen-Kata zu, die
äußerste Konzentration und höchste Geschicklichkeit erforderte. Jeder Gegner,
selbst wenn es sich dabei um einen erwachsenen Mann handeln würde, wäre in
Stücke zerschnitten worden. Die Agilität des kleinen Körpers versetzte Shane
immer wieder in ungläubiges Erstaunen.
    „ Thirsty? “, fragte Shane leise und hielt King die
Schale mit beiden Händen hin, als er endlich fertig war und sich nach einer
kleinen Pause der inneren Sammlung in seine Richtung wandte. King ließ sich
niemals aus der Ruhe bringen und wahrscheinlich würde er nicht einmal seine
Konzentration verlieren, wenn eine Bombe neben ihm detonieren würde.
    Wieder erschien dieses unglaublich breite Grinsen auf dem
Gesicht des Jungen, so dass seine milchigen Augen gespenstisch aufleuchteten.
Er kam auf ihn zu und legte seine Hände über Shanes um die Schale herum, um
sich etwas vorzubeugen, als wollte er sich dankbar vor ihm verneigen. Aber er
verharrte in der Bewegung und starrte auf die Blüte im Wasser, das dachte Shane
zumindest, der nicht wagte, sich zu rühren, weil der Kleine mit einem mal ein
so entrücktes Gesicht machte.
    Nach einer kleinen Ewigkeit sah er auf und Shane schluckte
schwer, weil er King noch niemals so traurig gesehen hatte.
„ This is our good-bye, Shane. I was afraid it would come
too soon. ” King hatte kaum mehr einen Akzent, er hatte wirklich schnell gelernt und
freute sich über jedes neue Wort, das er beherrschte, als wäre es ein Geschenk
der Götter.
(Das ist unser Abschied, Shane. Ich fürchtete, er würde allzu schnell kommen.)
    „ Why? I am not leaving till February. I
still got almost five weeks ”, warf Shane irritiert ein und sein Herz krampfte
sich ängstlich zusammen.
(Warum? Ich gehe nicht vor Februar. Ich habe beinahe fünf Wochen.)
    „ Someone very dear to you needs you at
home… She will be in pain… “ King hielt sich die Hände über den Bauch, ohne ihn zu berühren und
stöhnte dabei abgehackt, als hätte er Bauchweh.
(Jemand, der dir sehr nahe steht, braucht dich zuhause… Sie wird Schmerzen
haben…)
    „ She has long dark hair… Very, very
pretty… And dark eyes… So full of sorrow because she is all alone without the
father of her child by her side “, erklärte King weiter. (Sie hat langes,

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