Die Nacht der Uebergaenge
kniff fest die Augen zusammen, um die Bilder zu vertreiben, die
Heather in ihren Träumen wieder und wieder erlebte. Ash hatte ihr das Leben
gerettet und war ihr wie ein strahlender Engel erschienen, das konnte Nico sehr
gut nachvollziehen, aber eine Beziehung zwischen ihnen war nicht möglich.
Trotzdem behielt sie ihr Mitgefühl und ihre Sympathien für sich, da Heather es
bestimmt nicht so gesehen hätte, dass sie sich in derselben Situation befanden.
Was machte es für einen Unterschied, dass sie eine Breed war? Sie war doch
genauso verloren, weil ihr Herz einem Mann gehörte, der sie nicht wollte.
Als sie blinzelnd die Augen öffnete, entdeckte sie Nathan und
Rys, die sich gerade mit Wendy unterhielten. Also ging es den beiden auch gut.
Nico suchte die Menge nach weiteren bekannten Gesichtern ab, doch sie entdeckte
nur den kahlen Schädel von Ash, der die umstehenden Gäste locker überragte. So
aus der Ferne betrachtet, sah er ziemlich verwegen aus in dem überlangen
Lederblazer, der seine breiten Schultern betonte. Sie musste sich wirklich an
den Anblick der einschüchternden Männer gewöhnen, wenn sie später einmal gute
Arbeit als Krankenschwester leisten wollte.
Dann geschah etwas Komisches, was Nico zuerst glauben machte,
es wäre Teil der sagenhaften Lightshow des Clubs, doch keiner der anderen Gäste
schien es zu bemerken. Nicos Kinnlade klappte nach unten, als sie über Ash’
Kopf plötzlich einen Tiger wie aus den Fluten des Meeres aufsteigen sah. Ihr
Herz klopfte zum Zerspringen und ihre Augen weiteten sich ungläubig, während
sie dem majestätischen Tier mit erstaunten Blicken folgte, wie es über die
Köpfe der Tanzenden hinweg in Richtung Haupteingang schoss. Ein riesiges Tier,
schneeweiß und strahlend mit leuchtenden Augen, der jäh zum Halten kam, um sich
in Meeresschaum aufzulösen, genau über den Köpfen von Nathan und seiner
Tochter. Nico blinzelte verwirrt und dachte im ersten Moment, die beiden würden
nass werden, weil alles so echt ausgesehen hatte.
Nico zog die volle Unterlippe zwischen die Zähne und dachte
über die Bedeutung dieses Bildes nach, während sie geistesabwesend auf ihrer
Lippe herum kaute. Sie hatte sowieso auf jegliche Schminke verzichtet, weil sie
den Overall auffällig genug fand und schon genug damit zu tun hatte, auf den
halbhohen Absätzen der dazu passenden Sandaletten zu balancieren. Sie hielt das
Ganze für Geldverschwendung, aber sie hatte Cat schlecht abschlagen können, ihr
etwas Gutes zum Geburtstag zu tun.
Ash konnte sich in einen Tiger verwandeln so wie Cat in eine
Löwin, doch sie hatte das noch nie selbst gesehen. Das Fell des Tieres hatte
bestimmt die Farbe seines Haares, aber da er sich immer kahl rasierte, wusste
Nico nicht, wie blond Ash wirklich war. Die Augenbrauen und Wimpern waren sehr
hell, aber die Haare könnten einen Ton dunkler oder heller sein.
Was bedeutete es?
Nico war unschlüssig, ob sie mit jemandem darüber reden sollte. Die Krieger
sahen es bestimmt nicht gerne, wenn sie ihre Nase in deren
Privatangelegenheiten stecken würde. Es war ja keine richtige Vision gewesen,
eher so als hätte jemand die Hand ausgestreckt. Nach Nathan? Oder nach Wendy?
Nico zog die Schultern zusammen, weil ein kalter Schauer über ihren Rücken
glitt. Sie sah sich gerade lebhaft an die Vision betreffend der jungen
Immaculate erinnert, deren Erinnerungen nun auch die ihren waren.
Vielleicht wollte Ash nur seine Sympathie bekunden? Er war immerhin bei ihrer
Rettung anwesend gewesen wie alle anderen Krieger auch.
Nico wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als sie Damon an
der unteren Bar entdeckte, wo er sehr nah bei einer umwerfend schönen Blondine
stand, mit der er sich angeregt zu unterhalten schien. Eine Welle der
Erleichterung erfasste sie, dass auch er unversehrt von dem Auftrag
zurückgekommen war, dann stürzte ihre mühsam aufrecht erhaltene Fassade in sich
zusammen und eine niederdrückende Schwermut nahm mit aller Macht von ihr
Besitz. Sie drehte sich weg und nahm an dem Tisch Platz, um nicht weiter
zusehen zu müssen, wie Damon den gelungenen Auftrag mit einer anderen Frau
feierte.
Sie wünschte sich, sie könnte sich einfach davon stehlen, doch ihre Tasche mit
ihren Wohnungsschlüsseln lag noch bei Catalina in der Wohnung und wenn sie
jetzt darum bat, zu gehen, dann würde Cat nur wissen wollen, warum sie es so
eilig hatte. Es war noch nicht einmal Mitternacht.
Aber sie war nicht Cinderella und ihre rauschende Ballnacht würde es
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