Die Nacht der Uebergaenge
gelaufen war, da traf sie seine ätzend-spöttische Frage wie
eine Ohrfeige ins Gesicht.
Sie verstand nicht, womit sie oder sein Vater dieses Verhalten verdienten.
Nico regte sich innerlich so darüber auf, dass sie unwissentlich eine weitere
Duftwolke ausstieß, die einige der männlichen VIPs die Köpfe in ihre Richtung
drehen ließ. Aber das bemerkte Nico nicht, sie dachte nicht von sich, dass sie
für das andere Geschlecht von großem Interesse war. Sie war ja bisher nur von
normalen Männern umgeben gewesen, die in ihr eine „Unberührbare“ gesehen
hatten. Und für die Immaculates war sie nicht mehr als ein unbedarftes Mädchen,
weil die meisten mindestens einhundert Jahre älter als sie waren.
Nico atmete tief durch und sah hinunter auf den Tisch, auf
dem ihr Geschenk lag, zu dem sie noch kein Wort verloren hatte. Mit der
Fingerspitze ihres linken Zeigefingers strich sie über den glatten Stein, der
weiß-bläulich schimmerte. Nico beugte sich einem Impuls folgend vor und küsste
Blake keusch auf die Wange, bevor sie ihn schüchtern anlächelte.
“Vielen Dank! Der Anhänger ist wunderschön! Das haben dir
bestimmt schon viele Frauen gesagt, aber…. du hast einen unglaublich guten
Geschmack!“
Nico senkte scheu den Blick, weil sie nicht absichtlich kokettiert hatte, aber
Damon hatte kein Recht, ihr den Geburtstag aus völlig nichtigen Gründen zu
vermiesen. Sie durfte dieser Melancholie in sich nicht zu sehr nachgeben, das
würde nur bedeuten, viel zu offen zu sein. Sie wollte keine erneuten Visionen
riskieren, die sie zu sehr belasten würden.
Vorsichtig spähte sie unter dem dichten Wimpernschleier zu Blake rüber und
spitzte nachdenklich die Lippen, weil sie überlegte, wie weit sie gehen konnte,
ohne einen falschen Eindruck zu erwecken. Sie brauchte einfach ein bisschen
Ablenkung, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob der Mann ihr Verhalten
falsch verstehen könnte. Sie hatte noch Heathers Worte im Kopf, so dass sie
lieber vorsichtig war, bevor sie hier einen wildfremden Mann ansprach.
Beinahe hätte Aubrey seine Hand beschwichtigend über die
Nicos gelegt, als sie vor Aufregung etwas mehr von ihrem Duft absonderte, der
die Aufmerksamkeit anderer Männer um sie herum auf sich zog. Nico bemerkte das
sicher nicht. Für sie zählte nur Damon, der sich schon wieder von seiner
schlechten Seite gezeigt und wie ein Feigling das Weite gesucht hatte. Es würde
also noch dauern, bis dieser zu Verstand kam. Würde sich Nico davon erneut
einschüchtern lassen?
„Wenn er dir gefällt, bin ich glücklich.“Der Kuss auf die Wange schmeichelte
dem Lord ungemein und er wechselte endlich wieder in die vertrauliche Anrede.
Natürlich hatte man ihm schon oft seinen guten Geschmack bestätigt, doch so
aufrichtig und nett gemeint kam es selten über die in der Regel sehr rot
geschminkten Lippen. Alles, was er wollte war, das Nico sich wohl fühlte und sein
Sohn dies ganz genau beobachtete.
Er sagte nichts weiter, um das Mädchen nicht mit einem zurückgegebenen
Kompliment in neue Verlegenheit zu bringen. Nico war mit ihrem schüchternen
Charme ungemein bezaubernd. Warum war Damon nur so ein verblendeter Holzkopf?
Das Geschenk auszusuchen, war keine große Sache gewesen. Man
musste sie nur ein bisschen aufmerksamer studieren und zuhören, wenn sie
erzählte. Das war ihm zu keinem Zeitpunkt schwer gefallen. Nico war ein höchst
angenehmer, intelligenter Gesprächspartner.
“Mylord…?“
Nico hob die Lider ein wenig an und riskierte nun doch ein charmant verspieltes
Lächeln, da er die Anrede ja verdiente, sie aber in der heutigen Zeit natürlich
ziemlich überholt war.
“Könnte ich Sie vielleicht dazu überreden, mich auf die
Tanzfläche zu begleiten?“, fragte sie hoffnungsvoll und biss sich dann auf die
Unterlippe, weil sie nicht wusste, ob er überhaupt tanzte. Er sollte sich ja
nicht verpflichtet fühlen, sie zu begleiten. Unten waren ja noch Cat und die
anderen, so dass sie nicht allein sein würde. Aber natürlich wäre es für ihr
angeknackstes Selbstbewusstsein schöner, wenn sie von einem attraktiven
Tanzpartner begleitet werden würde. Nicht, dass Blake Aubrey sich jemals für
sie interessieren könnte, aber das sah man ja nicht auf den ersten Blick.
° ° °
Just in dem Moment, als Ash sich Wendy in den Weg stellte,
fiel sämtliche Gelassenheit von ihr ab. Sie fühlte sich, als wäre sie frontal
gegen eine Glasscheibe gelaufen oder wesentlich schlimmer direkt in den Warrior
selbst.
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