Die Nacht der Uebergaenge
herunterblickte, die immer noch auf dem Boden kniete.
Sie war so in ihren Überlegungen und ihrem inneren Aufruhr gefangen, dass sie
nicht bemerkte, wie Tränen über ihre Wangen flossen. Irgendwie war ihr die
Kühlung auf den glühenden Wangen willkommen. Vielleicht hatte sie ja nur
erhöhte Temperatur wegen zu viel Stress?
- Reißen Sie sich gefälligst zusammen, meine Liebe! Sie
bereiten uns allen Kopfschmerzen! Sie sind nicht krank! Sie benötigen einfach
das Blut eines Immaculate! Und je schneller je besser! -, ertönte eine
ungehaltene Stimme in ihrem Kopf, die sie traf, als hätte der Mann ihr eine
schallende Ohrfeige verpasst.
Romys Schultern sackten mutlos herunter und sie senkte den
Blick auf den Boden vor sich. Sie schämte sich wie noch nie zuvor in ihrem
Leben. Wie sollte sie das verhindern, dass diese Menschen ihre Gedanken
mitbekamen? Sie kniff die Lider fest zusammen und tat das einzige, was eine
Wirkung zu zeigen schien. Sie machte sich innerlich klein und zog sich von allem
zurück, was um sie herum geschah. Sie konnte hier sowieso nichts tun, weil
sogar das Mädchen Nico besser wusste, wie man in dieser Welt zurechtkam.
Es ist alles egal!
Ruhe… Endlich Ruhe… Sie hörte nur noch ihren eigenen Atem und sah nichts als
dunkle Schwärze. Was kümmerten sie die Tränen? Niemand würde sie sehen oder
hören. Sie war niemand.
Sie würde nicht einmal mehr körperliche Schmerzen spüren, wenn sie weit genug
weg ging. Sie wusste das, weil sie nach einem Mal einen blauen Fleck in ihrem
Gesicht entdeckt hatte.
Eine Sozialarbeiterin hatte die Geduld mit ihr verloren. Sie war ein sehr
aufsässiger Teenager gewesen. Ein Psychiater hatte später gemeint, sie wäre
fähig, sich selbst zu hypnotisieren, ein Verhalten, das traumatisierte Kinder
oft an den Tag legten. Die Fragen danach hatte sie mit keiner Antwort
gewürdigt. Sie wollte nur so lange durchhalten, bis sie das Waisenhaus
verlassen konnte. Alles war besser als dieser Ort. Und als dieser Ort.
Eine Katze. Ein Raubtier.
Nathan war in der Tat ein klein wenig von Catalinas neuer Form geschockt. Er
hätte es wissen und hinterfragen müssen. Vor allen Dingen wäre eine kleine
Provokation seinerseits vor diesem Abend wahrscheinlich besser gewesen, als
Catalina die erste Verwandlung hier zumuten zu müssen. Das Orakel hatte ihm
entscheidende Hinweise gegeben und er hatte in seiner Aufgabe, sie zu schützen,
versagt.
Jagannatha steckte seine Waffe zurück an ihren Platz an seinem Gürtel, der zu
der altertümlichen Kriegermontur gehörte und erwiderte den klaren, stolzen
Blick der Löwin, die auf ihn zugetrottet kam, ebenso klar und ruhig. Er war
bereit, jede Art von Bestrafung anzunehmen. Sogar den Tod, wenn es das war, was
Catalina wollte. Er hatte ihr nicht beigestanden. Sie hatte jedes Recht, ihm
das Leben zu nehmen.
Ein Blick in ihre Katzenaugen genügte jedoch, um ihn davon zu überzeugen, dass
sie nichts dergleichen vorhatte. Das Tier schien voller Zuneigung zu ihm
aufzusehen und im nächsten Moment ging ein Rucken durch ihren Körper, das die
Rückverwandlung ankündigte. Ihre Rage war also abgeebbt. Zu ihrer aller Glück.
Gleich darauf hockte Cat wieder vor ihnen auf dem Boden.
Nackt und bloß, wieder ganz sie selbst. Sie zitterte, ihre Haut war
schweißfeucht, aber ihre Stimme klang fest und sehr bestimmt, als sie klare
Worte sprach, die Nathan nur unterstreichen konnte.
In diesem Augenblick machte es ihm nichts aus, dass sie ohne Kleidung vor den
Kriegern stand. Es galt, einen Standpunkt zu vertreten und Cat besaß nichts,
für das sie sich schämen musste. Im Gegenteil, Nathan verspürte unbändigen
Stolz auf ihre Stärke, die trotz aller Widerstände in ihr wohnte. Catalina war
wahrhaftig eine Königin unter Ihresgleichen und sie gehörte ihm. Ihm allein.
Nathan sah Catalina tief in die Augen und konnte ihr in Gedanken nur zustimmen.
Sollte es irgendjemand wagen, Hand an sie zu legen, würde er sein blaues Wunder
erleben. Er würde sie bis zum letzten Atemzug verteidigen. Immer. Auf ewig.
Cat senkte ihren Blick und sah hinunter auf ihre Hand, die sie bis eben zur
Faust geballt hatte und nun langsam öffnete. Sie war verletzt. Der Duft ihres
Blutes stieg ihm betörend in die Nase und seine gerade erst wieder normal
gewordenen Augen glühten erneut tiefrot, als sie sich in Gedanken für ihren
Ausbruch entschuldigte, obwohl er es war, der sich bei ihr entschuldigen musste
und ganz sicher nicht dergleichen erwartet hatte.
Es war genug.
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