Die Nacht der Uebergaenge
war peinlich genug, hier auf dem Boden zu liegen, das erinnerte sie zu sehr
an ihren eigenen hysterischen Anfall vor den Gebrüdern Harper.
Nico hinter ihr hielt es ganz genau so, weil sie Damon nicht in die Augen sehen
konnte.
„Ich bin Awendela Draco, aber das ist nicht wichtig. Sprecht
so wenig wie möglich, zukünftige Devena Romana. Ihr müsst Eure Kräfte schonen.
Zumindest solange, bis mein Blut in Eurem Körper Wirkung getan hat.“
Wendy senkte ehrerbietig den Blick, als Romy sie direkt ansprach und nahm
gleichzeitig den Dolch, den Nathan ihr mit der Griffseite zuerst hinhielt,
damit sie sich nicht an der Schneide verletzte, entgegen. Jedoch war es genau
das, was seine Tochter beabsichtigte. Sie wollte Romy von sich zu trinken
geben, damit diese wenigstens den Abend ihrer Einführung noch auf einigermaßen
sicheren Beinen überstand. Das Wiedersehen mit ihrem Vater würde sie später
feiern, sofern seine zukünftige Frau, Catalina, keine Einwände dagegen erhob.
Schließlich war Wendy ihretwegen gekommen. Sie hatte die Devena, deren Ruf ihr
bereits voraus eilte und die ihren Vater glücklich zu machen gedachte,
wenigstens ein einziges Mal sehen wollen, auch wenn das nicht zu ihren
Privilegien gehörte.
Es überraschte Wendy nicht eine Sekunde, diese unbändige Stärke in Romy zu
spüren, die ihre kleine Schwester Rebeka vermissen ließ. In der Älteren steckte
ein unbändiger Überlebenswillen und was noch viel wichtiger war, sie glaubte
daran, dass ihr hier geholfen und nicht geschadet wurde.
„Werdet Ihr mir erlauben, Euch zu trinken geben zu dürfen,
Devena? Natürlich ist das nur ein kleiner Beitrag zu Eurer Genesung. Es wird
Euch nicht gesund machen, doch es wird Euch helfen, Eure Repräsentationsaufgabe
durchzustehen, ohne dass man Euch Eure Schwäche ansieht.“
Sie achtete nicht mehr auf die anderen Krieger, die gemeinsam mit Catalina den
Raum verließen, nachdem man schon Bekky fortgebracht hatte. Man hatte ihr
unverhofft eine Aufgabe zugedacht und Wendy gedachte diese mit äußerster
Sorgfalt zu erfüllen.
"Ihr müsst unglaublich großen Hunger haben, Romana. Ihr
habt seit Tagen nicht mehr richtig gegessen."
Ohne mit der Wimper zu zucken, schnitt sie sich in das feine, weiche Fleisch
ihrer Handinnenfläche. Wenn Romy darauf ansprang, was Wendy ihr feilbot, würde
sie ihren Puls zerschneiden, damit die Devena trinken konnte.
Danach war deren Blutdurst allerdings ein für alle Mal geweckt. Der Hunger
würde nach ein paar Stunden in Gier umschlagen und dann war es gut, wenn sie
nicht allein war. Hatte sie bereits jemanden für sich gefunden, der ihr durch
die Verwandlung helfen würde? Der Anführer aus Europa vielleicht? Oder einen
der Harpia-Brüder? Sowohl von Theron als auch von Chryses hatte Wendy so etwas
wie Beschützerinstinkte gegenüber der Kiss-Schwester gespürt. Chryses’ Gefühle
schienen sogar mehr als das zu sein. Wendy hoffte auf eine kluge Wahl und eine
weise Entscheidung, die zum Besten der Devena ausfallen würde. Denn sonst war
es so, wie sie sagte: Romy würde bald sterben. Das Eindringen des Geistes sowie
der Stress der letzten Tage, das unverständliche Fehlverhalten der jüngeren
Schwester. All das forderte irgendwann unweigerlich seinen Tribut.
Awendela bewunderte die junge Devena nur noch mehr für ihre unglaubliche Kraft,
ihre Stärke und ihren Mut. Sie war des Titels mehr als würdig.
Blut sammelte sich in ihrer Hand und lief schließlich in einzelnen, kleinen
Tropfen auf das rote Gewand der Devena. Es versickerte kaum sichtbar in dem
hauchdünnen Stoff, aber die Veränderung in Romys Augen blieb Wendy nicht
verborgen. Die Zeit drängte mehr, als sie bisher angenommen hatte und das war
bereits das Schlimmste gewesen.
„Bitte, nur zu. Das Orakel möchte, dass ich Euch helfe. Es
ist meine Aufgabe, Devena. Ich gehöre zu den Tri’Ora. Den Schwestern, die Leben
schenken und denen, die Leben nehmen, sofern keine Hilfe mehr möglich ist. Ich
bin Nathans Tochter, wenn Euch das hilft, mehr Vertrauen zu mir zu haben.
Niemand will Euch etwas Böses. Glaubt mir.“
Damit zog sie einen weiteren, zweiten Schnitt mit dem Dolch ihres Vaters quer
durch das Handgelenk, dessen zerschnittene Handfläche sie Romy bereits
hinhielt. Nur zwei, drei tiefe Schlucke. Das würde genügen, um sie nach einer
kleinen Ruhepause wieder kurzzeitig bei Kräften zu haben.
Es war ungewöhnlich und für Romana Kiss wahrscheinlich auch eine grenzwertige
Erfahrung. Noch war sie keine Immaculate
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