Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
Vom Netzwerk:
vorsichtig niederließ, um ihr Kleid nicht zu zerknittern. Wenigstens
äußerlich sollte sie an diesem Abend perfekt erscheinen und darüber hinweg
täuschen, wie unsicher sie sich fühlte.
Ihre Schwester stand vor ihr, von dem Licht des Mondes beschienen wie eine
unwirkliche Erscheinung, die Romy die Tränen in die Augen trieb, weil die nächsten
Worte nicht leicht über ihre Lippen kamen.
    „Rebeka… Meine allerliebste Schwester. Meine einzig lebende
Verwandte, wenn man von den Harpers absieht, die immer noch fremd für mich
sind“, begann sie nach einem schweren Atemzug, als würde jemand ihre Lunge
zusammendrücken.
Ihr wurde das Herz schwer, weil sie keine andere Möglichkeit sah, den Karren
aus dem Dreck zu ziehen, der so fest gefahren war, dass sie keine Gewalt
anwenden mochte, um ihn heraus zu holen. Wenn sie das tat, würde vielleicht
alles kaputt gehen und nie wieder zu kitten sein.
    „Es kann nicht so weiter gehen, Rebeka! Ich tue alles, damit
du es später an meiner Stelle leichter haben wirst, aber du wehrst dich so
vehement dagegen, die Tatsachen zu akzeptieren, dass du mir und dir selbst wehtust.
Ich bin nicht so stark, wie ich dir vielleicht erscheinen mag… Ich hätte es
vielleicht eher sagen müssen, aber ich bin wirklich krank. Ich habe vorhin erst
am eigenen Leib erfahren wie sehr. Und die Immaculate sind die einzigen, die
mir helfen können, Bekky. Sieh mich an, ich lag vorhin noch völlig geschwächt
am Boden. Ohnmächtig und wehrlos! Du hättest nichts für mich tun können, unsere
Ärzte hätten mich auch nicht retten können. Es gibt keine andere Möglichkeit,
als ihnen Vertrauen zu schenken. Keiner der Krieger würde jemals zulassen, dass
mir etwas zustößt! Ich kann ihnen mein Leben bedenkenlos anvertrauen und auch
deines! Deswegen kann ich dir anbieten, dass du zurück zu deinen Eltern fährst.
Sie werden dich auch dort beschützen, ohne dass du ihre Anwesenheit merkst. Ich
brauche alle Kraft, die ich habe, dafür gesund zu werden… Es wird hart sein, es
wird mich viel Überwindung kosten. Ich kann das nicht mit der Sorge um dein
Wohl tun. Es bedrückt mich zu sehr, wenn du dich so von allem abwendest. Gib
ihnen wenigstens eine Chance, Bekky! Du hast so ein großes Herz! Viel offener
als meins je sein wird! Und dennoch fühle ich mich von dir allein gelassen, ich
kann das nicht aushalten, Rebeka, so leid es mir tut… Ich kann einfach nicht
mehr!“, gab Romy mit einem letzten Aufseufzen zu, der sich wie ein leises
Aufschluchzen anhörte. Sie sollte besser nicht weinen, das würde den anderen
nur unangenehm auffallen.
    Romy tupfte sich die Feuchtigkeit vorsichtig von den unteren
Lidern, bevor die Tränen fließen konnten und sah mit einem gequälten Lächeln zu
ihrer kleinen Schwester auf.
„Sie leben viel länger als wir, Bekky… Sie lieben, sie bekommen Kinder und
erleiden Verluste! Kannst du dir vorstellen, was es bedeutet, den Menschen zu
verlieren, den man liebt und damit mehr Jahre, als wir uns vorstellen können,
leben zu müssen? Was es bedeutet, unschuldige Kinder an die Monster zu
verlieren, die ihre Feinde sind? Tu es ruhig als Lüge oder Phantasterei ab,
aber tief in deinem Herzen weißt du, dass alles der Wahrheit entspricht, egal
wie schwer die Vorstellung für uns sein mag. Ich habe eine Scheißangst davor!
Viel mehr, als du dir wohl vorstellen kannst! Aber all die Menschen um uns
herum versuchen, mir entgegen zu kommen, mir beizustehen, mir es so leicht wir
möglich zu machen! Ich habe vorhin sehr geweint, Bekky… Nico war bei mir, sie
hielt mich und sie wiegte mich in ihren Armen. Ich wünschte, das wärst du
gewesen! Ich hab dich an meiner Seite vermisst… Ich kam mir so allein vor. Cat
hat Nathan und Nico, die ihr beistehen, aber ich habe nur dich… Aber ich
verstehe, wenn das alles zu viel für dich ist! Quäl uns beide nicht länger und
triff eine Entscheidung für dein Wohl.“
    Romy verflocht ihre Finger miteinander und legte die
verschlungenen Hände in ihrem Schoß ab. Sie sah darauf herunter und konnte
zusehen, wie das helle Licht des Vollmondes den Schmuck an ihrem Handgelenk
glitzern ließ. In ihren Augen war er völlig wertlos. Er hatte keinerlei
Bedeutung. Es handelte sich dabei nicht um Familienschmuck oder ein Geschenk.
Es war vielmehr eine erzwungene mildtätige Gabe eines Mannes, der Mitleid mit
ihr hatte.
„Ich bin nun eine Devena, Bekky! Jemand in dieser Gesellschaft, dessen Wort
Befehl ist. Ich hatte das vorhin nicht bedacht, ich war zu

Weitere Kostenlose Bücher