Die Nacht der Uebergaenge
Kenntnisse auf ihrer Flucht mühevoll
angeeignet, indem sie einige Menschen unter ihren Bann gebracht hatte, die sich
damit auskannten. Man hatte wohl befürchtet, sie könnten einer ihrer stärksten
Waffen im Kampf verlieren, wenn sie sich zu sehr in der Welt da draußen umsah.
Vielleicht war es nicht klug gewesen mit Wendys Geschichte
anzufangen, während Cat immer noch unter der Einwirkung des Mondes litt. Nun
ja, leiden war nicht ganz die richtige Beschreibung, da Nathan das Gefühl
hatte, seine Zukünftige würde zumindest ein paar begleitende Umstände genießen,
doch im Grunde würden sie beide am Morgen dermaßen erschöpft und ausgelaugt
sein, als hätten sie gegeneinander oder gemeinsam gegen eine Horde Ghouls
gekämpft.
Wenigstens würden sie bis in die Mittagsstunden schlafen
können. Manasses und er würden sich nicht vorher in der Arena treffen, damit
Catalinas Vater seine Bestrafung entgegennehmen konnte. Wollte er sich nicht
lieber selbst bestrafen lassen? Im Grunde musste er, der ebenso lange lebte wie
der Krieger aus Europa, doch einen gewissen Teil von Verständnis für dessen Tun
aufbringen. Hatte er nicht ebenso oft Rache geschworen oder genommen? Sollte
nicht Cat diejenige sein, die Manasses forderte? Was war hier die beste Lösung?
Vaterlos oder Witwe, bevor sie überhaupt getraut worden waren? Nein, soweit
würde er es nicht kommen lassen. Weder die eine noch die andere Lösung war
akzeptabel. Er würde auf seine Aequatio verzichten.
Ein wenig ungemütlich wand sich Nathan auf dem Bett, ohne
Cat, die sich eng an ihn gekuschelt hatte, aus seinen Armen freizugeben. Auch
er brauchte ihre Nähe unbedingt. Sie gab ihm seinen inneren Frieden zurück, dadurch
dass sie von Anfang an zugelassen hatte, dass er sich um sie kümmern durfte. Es
tat ihm leid, ihr einen wichtigen Teil seines Lebens verschwiegen zu haben.
Aber über die Vergangenheit zu sprechen, war niemals leicht. Wenn man sie nicht
zu genau nahm, konnte man sie sich sogar zum eigenen Vorteil zurechtlegen und
schöner machen, als sie tatsächlich gewesen war. Doch er war kein Lügner und
hatte nicht vor, Cat mit falschen Tatsachen zu beruhigen.
„Wenn du es wirklich wissen möchtest, sollten wir am Anfang
beginnen.“ Auf Nathans bartstoppeligen Gesichtszügen zeigte sich ein Ausdruck
tiefempfundenen Schmerzes, der ihn jedes Mal überkam, wenn er an Dinge
zurückdachte, die er willentlich verschuldet hatte, aber niemals wieder würde
gutmachen können. Cat schmiegte sich gleich noch enger an ihn und das tröstete.
Irgendwie. Zumindest machte es das Sprechen leichter und die dazugehörigen
Bilder in seinem Kopf weniger emotional.
„Ich habe eine lange Zeit in Russland gelebt, bevor ich nach
Amerika kam. Ich war nicht immer ein Krieger aber immer ein Soldat. Meine
Mutter fand die Uniformen, die ich trug, schneidig.“
Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. Man hatte ihm für sein Äußeres
immer Bewunderung gezollt.
„Ich mochte sie ebenfalls. Es gab tatsächlich eine Zeit, in
der mir mein Aussehen wichtig war. Frauen lagen mir zuhauf zu Füßen und ich
habe das ausgenutzt, ohne mich binden zu wollen. Es war ein Spiel, mehr nicht.
Ich lebte für den Krieg und wenn es keinen gab, dann wartete ich in den Pausen
auf einen neuen. Du weißt ja, als Immaculate hast du unendlich viel Zeit und es
gab unendlich viele Möglichkeiten, diese zu füllen.“
Cat grub ihre Fingernägel in seine Brust. Unbewusst, aber ihm entging nie, wenn
das Gefühl der Eifersucht sie überkam. Nathan griff nach ihrer Hand und küsste
deren Spitzen, um sie zu beruhigen. Noch musste sie ein wenig ruhen. Wenn eine
weitere Welle der Affectio über sie hinwegrollte, würde er sie wieder richtig
spüren lassen, dass sie die Einzige für ihn war.
„Ich lernte Irina Mimikowitsch Rasputina auf einer
Feierlichkeit wie dieser hier kennen. Sie war wunderschön, glutäugig und
überaus von sich selbst eingenommen. Sie überstrahlte alles. Jeder Mann wollte
sie besitzen, doch meine Mutter hatte bereits Verbindungen geknüpft, die sicherstellen
würden, dass Irina sich nur einem einzigen hingeben würde. Mir. Das wusste ich
damals allerdings nicht. Irina war längst über ihren Status der Einführung
hinaus und ganz sicher keine Jungfrau mehr, als wir das Lager teilten. Es war
Vollmond, genau wie jetzt und ich war entschlossen, sie nicht mehr
wiederzusehen. Wir hatten einander nichts zu geben außer körperlicher
Befriedigung, die wir natürlich genossen haben.
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