Die Nacht der Wölfe
griff nach einer Zigarre, hielt sie fragend hoch und steckte sie umständlich an.« Nein … tut mir leid, Ma’am«, sagte er und paffte genüsslich. »Wenn Ihr Mann hier war, kann ich mich nicht erinnern.«
»Ein echter Fallensteller, groß und breitschultrig, mit dunklen Augen …«
»Tut mir leid, Ma’am. Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber die Registrierung der Goldgräber gehört leider nicht zu unseren Aufgabengebieten. Die Armee wurde nach Fort St. Michael beordert, um dem US Deputy Marshal in Nome zu helfen, die Ordnung auf den Goldfeldern aufrechtzuerhalten, was schwer genug ist. Wir haben leider keine Zeit für irgendetwas anderes.«
»Dann dürfte Sie vielleicht interessieren, dass sich ein gefährlicher Mörder in Ihrer Gegend herumtreibt«, mischte sich Dolly ein. Man sah ihr an, wie sehr ihr die militärische Sprache des Captains auf die Nerven ging. »Sein Name ist Frank Whittler, und selbst zwei Ladys wie wir …« Sie betonte »Ladys«, »… konnten nicht umhin, über die Spuren dieses Mannes zu stolpern.«
»Dolly … Mrs Kinkaid hat recht, Captain«, sagte Clarissa. »Frank Whittler ist einer der gemeinsten Verbrecher, die ich kenne. Sie müssen ihn unbedingt festnehmen. Oder gehört die Verhaftung eines Mörders auch nicht zu Ihren Aufgaben? Dem US Deputy Marshal in Fairbanks ist er leider entwischt.«
»Frank Whittler … Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.« Er kramte in einem Stapel Akten und Papiere. »Ist das nicht der Sohn von Thomas Whittler, dem Eisenbahnmillionär? Ich dachte, der verbüßt eine Haftstrafe.«
»Er konnte entkommen, überfiel mit zwei Komplizen eine Bank und erschoss einen Kassierer. Ich selbst habe die Leichen seiner beiden Komplizen am Yukon River gefunden. Er hat sie ermordet, um die Beute nicht teilen zu müssen. US Deputy Marshal Chester Novak weiß, dass er sich irgendwo im Norden aufhält, und will im Frühjahr ein neues Aufgebot aufstellen. Er glaubt, Whittler will nach Süden zurückkehren. Hat er Ihnen nicht telegrafiert? Oder gibt es in diesem Fort noch keine Telegrafenstation? Sie müssen diesen Verbrecher unbedingt festnehmen, bevor er weiteres Unheil anrichtet.«
Der Captain hatte ihr nur halb zugehört und weiter in seinen Papieren gekramt. »Sie haben recht, Ma’am«, sagte er, als er die gewünschte Meldung gefunden hatte, »man hat uns über ihn informiert.« Er überflog das Schreiben. »Aber hier steht nur etwas über den Banküberfall und den Mord an dem Kassierer … und dass es denkbar wäre, dass er in hier auftauchen könnte. Man nimmt wohl an, dass er sich in einem Indianerdorf versteckt.«
»In Nome kann man noch besser untertauchen. Da sind Tausende von Goldgräbern … zwanzigtausend, hab ich mir sagen lassen. Ich bin sicher, er hält sich dort versteckt. Tun sie etwas, Captain! Nehmen Sie den Mann fest!«
»Natürlich … Falls wir ihn finden.« Er legte das Schreiben zurück. »Aber ich kann nicht alle Soldaten auf einen Mann ansetzen, auch wenn er so gefährlich ist wie Frank Whittler. Das ist Aufgabe des US Deputy Marshals.« Er paffte an seiner Zigarre, stellte fest, dass sie nicht richtig brannte, und zündete sie noch mal an. Er warf das glühende Streichholz in den Aschenbecher. »Darf ich fragen, worin Ihr Interesse an der Verhaftung dieses Mannes besteht?«
»Das ist eine lange Geschichte. Er hat vor drei Jahren versucht … Er verfolgt mich seit einigen Jahren, Captain, und wenn ich gewusst hätte, dass er nach Nome will … Aber mir bleibt leider keine andere Wahl, als dieses Risiko einzugehen. Ich werde mich wohl an den dortigen Marshal wenden müssen.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann, Ma’am. Wir haben hier ein riesiges Gebiet zu überwachen, nicht nur Nome, auch die umliegenden Dörfer, und ich habe einfach nicht genug Männer, um sie gezielt auf Verbrecherjagd zu schicken. Wir können lediglich durch unsere Präsenz abschrecken. Aber ich bin morgen Abend mit dem Marshal verabredet, dann werde ich ihn noch mal auf Frank Whittler aufmerksam machen. Tut mir sehr leid, aber …«
»Er hat ein kleines Mädchen vergewaltigt!«, hakte Dolly nach. »In einem Indianerdorf ungefähr eine halbe Tagesreise von hier! Sie hätten das arme Mädchen sehen sollen! Sie war vollkommen verängstigt, und keiner weiß, ob sie jemals wieder sprechen wird! Warum starten Sie keine Großfahndung?«
»Mir sind die Hände gebunden, Ma’am … leider. Und eine Indianerin …«
»… ist nicht so
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