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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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vermochte Clarissa später nicht zu sagen. Es war wohl seiner Erfahrung und seinem Instinkt zu verdanken, dass er schon wenige Minuten nach dem Unfall wieder festes Eis unter die Pfoten bekam und den Spuren, die andere Musher in das Eis gefahren hatten, folgen konnte. Sie stammten von Yupik-Jägern der umliegenden Dörfer, die genau wussten, wann sie sich auf die Bucht wagen konnten. Bei diesem Eisnebel wären sie wohl niemals aufgebrochen, aber was war Clarissa anderes übrig geblieben? Sie war sicher, die Stimme von Frank Whittler gehört zu haben, bevor sie auf das Eis gefahren war, und selbst wenn sie es nicht gewesen war, hatte sie solche Angst gehabt, dass ihr gar keine andere Wahl geblieben war.
    »Halt durch, Dolly! Wir haben es bald geschafft! Hier gibt es mehrere Dörfer, die Yupik lassen dich bestimmt an einem warmen Ofen sitzen!«
    Doch noch waren sie nicht am Ziel. Bis zum anderen Ufer waren es sicher noch einige Meilen, und der Eisnebel war noch immer so stark, dass selbst Emmett mehrfach zögerte und sich nicht sicher zu sein schien, ob sie noch auf dem richtigen Trail waren. Dolly zitterte und betete und hätte am liebsten geschrien, so wütend war sie auf sich selbst und ihr Missgeschick. Sogar mit irischen Schimpfwörtern verfluchte sie den Nebel und den Overflow. Clarissa stand mit beiden Beinen auf dem Trittbrett, froh, wieder über festen Untergrund fahren zu können, und spähte hoffnungsvoll in den Nebel. Inständig hoffte sie darauf, endlich den Schatten der Küste zu entdecken.
    Die Minuten, bis es endlich so weit war, dehnten sich zu einer Leidenszeit, die besonders Dolly zu schaffen machte. Sie jammerte und stöhnte und fluchte unentwegt, als die Küste endlich auftauchte, und der quälende Nebel wie durch Zauberhand hinter ihnen verschwand. »Heya! Heya!«, rief Clarissa befreit, »das hast du gut gemacht, Emmett! Das habt ihr alle gut gemacht! Ihr seid die Größten, wisst ihr das?« Sie hatte das Gefühl, erst jetzt wieder richtig durchatmen zu können, jagte die Hunde den steilen Pfad zum Ufertrail hinauf und hielt auf das Dorf zu, dessen Umrisse sich bereits in dem Dunst abzeichneten, der in der Dunkelheit heraufzog.
    Das musste Koyuk sein, eine Siedlung der Yupik, einem Volk der Inuit, die wie die Indianer aus Sibirien nach Alaska gekommen waren.
    Clarissa war nie so weit im Norden gewesen, hatte aber vor ihrer Abfahrt eine Landkarte studiert und kannte die Yupik aus einem Buch, das sie in Barnettes Handelsposten gefunden hatte. Ein »verrückter Gelehrter«, wie er einen Forschungsreisenden genannt hatte, der sich für die Völker des Hohen Nordens interessierte und bis zum Polarkreis gefahren war, hatte es bei ihm zurückgelassen und nie wieder abgeholt. »Wahrscheinlich hat er sich auf dem Eis verirrt«, war sein bissiger Kommentar gewesen, »wie kann man nur so dumm sein!«
    Clarissa lenkte den Schlitten ins Dorf und pflockte ihn im Windschatten des großen Versammlungshauses fest. Sofort waren sie von einer Schar neugieriger Dorfbewohner umgeben, denen das stürmische Wetter nichts auszumachen schien und die sofort merkten, was mit Dolly geschehen war. Noch bevor der Schlitten stand, hatten zwei kräftige Männer ihre Freundin von der Ladefläche gehoben und trugen sie mitsamt den Decken ins Versammlungshaus. »Im Haus viel Feuer«, sagte eine zahnlose Alte in schlechtem Englisch.
    »Ich danke euch«, sagte Clarissa und stieg vom Trittbrett. Sie merkte erst jetzt, wie erschöpft sie war. »Wir hatten uns im Nebel verirrt und haben es diesen Hunden zu verdanken, dass wir euch gefunden haben!« Sie ging am Gespann entlang, kraulte Emmett ausgiebig hinter den Ohren und schloss ihn in die Arme, flüsterte ihm ein paar Koseworte in die Ohren und tätschelte auch die anderen Huskys mehr als sonst. »Das habt ihr wirklich toll gemacht, wisst ihr das? Durch das Sauwetter hätte es kein anderes Team geschafft!«
    »Schlechtes Wetter!«, sagte die Alte. »Nicht auf Bucht fahren!«
    »Ich weiß, ich weiß … aber ich konnte nicht anders.«
    »Geist hinter dir her?«
    »Ein böser Mann!«, erwiderte Clarissa.
    Die Alte schien Gefallen an der Unterhaltung zu finden oder versuchte nur, ihre mangelhaften Englischkenntnisse an die Frau zu bringen. Sie grinste verständnisvoll. »Ah … böser Mann! Jetzt verstehe ich! Du Mann weggelaufen!«
    »Er ist ein Verbrecher … ein richtig böser Mann!«
    Als die anderen Frauen bemerkte, wie angeregt sich die Alte mit der weißen Frau unterhielt, wurden

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