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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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nicht beschützt hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot. Er gibt nicht auf.« Sie drehte sich nach dem Spieler um. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »So schnell stirbt man nicht«, erwiderte Ralston mit dem, was er für ein Lächeln hielt. Es erreichte lediglich seine Mundwinkel, eine Angewohnheit, die er sich wohl beim Pokern angewöhnt hatte. »Wenn er auf Sie losgegangen wäre, hätte ich immer noch den hier gehabt.« Er öffnete seine Jacke und zeigte ihr seinen neuen Smith & Wesson, den er wie viele Spieler in einem Schulterholster trug. »Obwohl ich ungern Gewalt anwende. Ich frage mich, warum der US Marshal oder die Armee nichts unternehmen. Dass ein Verbrecher wie er sich frei bewegen kann, ist doch ein Skandal. Er gehört ins Gefängnis.«
    Whittler entfernte sich nach Süden, und sie entspannte sich allmählich. »Die Armee braucht erst einen offiziellen Befehl und hat genug andere Probleme am Hals, wie mir der Captain weismachen wollte, und hier gibt es keinen Telegrafen, und der Marshal sagt, solange er keinen Haftbefehl habe, seien ihm die Hände gebunden. Wenn Sie mich fragen, hat er Angst vor ihm.«
    »Das kann ich ihm nicht mal verdenken.« Ralston führte sie auf den Gehsteig zurück und blickte aufmerksam nach Süden, bevor er sich neben eine der Fackeln schob. Er stellte sich so, dass man sie von Süden nicht sah. »Grover Martin ist noch grün hinter den Ohren und hat den Job nur bekommen, weil sein Vater irgendein hohes Tier in der Territorialregierung ist. Zum Rechtsanwalt hat es beim Junior anscheinend nicht gereicht, also hat man ihn zum Deputy Marshal gemacht und ihm ein Abzeichen an die Jacke gesteckt.«
    Clarissa wunderte sich, dass der Spieler in seinem Anzug nicht fror, auch wenn er dicht neben der Fackel stand, und blickte auf die Menschenmenge, die sich wie bei einer Prozession über die Front Street schob. »Ich hätte nicht herkommen sollen«, sagte sie, »Dies ist keine Stadt, in der sich Alex lange aufhalten würde. Wenn er noch am Leben ist, dann bestimmt nicht in Nome.«
    »Sie haben recht«, erwiderte der Spieler. Er hatte sich einen Zigarillo angesteckt und zog nachdenklich daran. »Bleiben Sie eine Nacht, und fahren Sie nach Hause. Falls Ihr Mann jemals hier auftaucht, schicke ich ihn nach Hause, und wenn ich ihn selbst auf das Schiff bringen muss. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis Whittler endlich wieder hinter Gitter wandert. Aber halten Sie sich von Miss Emmys Pension fern, sie ist viel zu bekannt hier, und ich weiß nicht, ob die alte Dame dichthält, wenn er ihr ein Messer an die Kehle hält. Gehen Sie zu Brownie, ein mürrischer Bursche, aber in seinem Schlafhaus vermutet Whittler Sie bestimmt nicht. Ungefähr zwei Meilen nördlich von hier. Ich würde Sie fahren, aber ich habe leider keinen Zweispänner hier, und in diesem Schnee würde er mir auch wenig nützen. Sagen Sie, dass Sie von mir kommen, dann gibt er Ihnen die Rumpelkammer im ersten Stock. Nichts Besonderes, aber eine Nacht halten Sie bestimmt durch. Ich sage Ihrer Freundin, wo Sie abgestiegen sind. Und wenn Sie die Stadt verlassen, nehmen Sie besser einen Umweg übers Meer oder die Tundra.« Er lächelte schwach und auch ein wenig wehmütig, hatte sie den Eindruck. »Es war mir eine große Ehre, Sie wiederzutreffen, Ma’am. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
    Er verschwand ohne ein weiteres Wort im Saloon, und sie war wieder auf sich allein gestellt. Um nicht wieder von Betrunkenen aufgehalten zu werden, ging sie diesmal zügiger, auch in dem Wissen, dass Whittler nach Süden gegangen war und dort nach ihr suchte. Mit kräftigen Schritten stapfte sie durch den Schnee, der auf der Front Street zu schmutzigem Matsch geworden war, und hielt den Kopf gesenkt, damit man sie nicht gleich als Frau erkannte. Inzwischen schalt sie sich selbst eine Närrin. Was hatte sie nur auf die Idee gebracht, in dieser wilden Stadt nach Alex zu suchen? Oder hatte Bones doch recht gehabt, als er dem Nordstern gefolgt war? Hatte er einen bestimmten Grund gehabt, ihr ausgerechnet den Weg in dieses Sündenbabel zu weisen?
    Im Norden wurde die Stadt etwas ruhiger. Es gab weniger Saloons, und die Front Street war nicht so bevölkert wie vor dem Golden Nugget. Brownie’s Boarding House war ein Holzhaus, so schäbig und windschief, dass sie es normalerweise niemals betreten hätte, aber sie vertraute Sam Ralston und öffnete mutig die Tür. Schon in dem kleinen Vorraum wurde sie von

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