Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
am liebsten, und auch Dolly schien erleichtert, den Trubel hinter sich lassen zu können.
    Die Ranch des Rentierzüchters lag in einer windgeschützten Senke, ungefähr eine Viertelmeile von der Küste entfernt. In dem Blockhaus brannte noch Licht, daneben waren ein Schuppen und eine Koppel mit ungefähr zwanzig Rentieren zu erkennen. Sie witterten die Neuankömmlinge, liefen nervös hin und her und stießen mit ihren mächtigen Geweihen gegeneinander. Neben dem Haus stand ein Schlitten aufrecht im Schnee. Die Huskys reckten neugierig ihre Köpfe, als Clarissa ihren Schlitten zum Haus lenkte, und begrüßten sie mit einem lauten Jaulkonzert, das auch den Besitzer nach draußen rief.
    »Täusche ich mich, oder schneien mir da zwei Ladys ins Haus?«, begrüßte er Clarissa und Dolly. »Die einzigen Ladys, die sich bisher zu mir wagten, treiben sich draußen in der Koppel bei den Kerlen rum.« Er kam ihnen entgegen, ein zäher Bursche um die Vierzig oder vielleicht auch älter, und reichte beiden die Hand. »Craig Oliver. Die Leute nennen mich Crazy Craig, weil man verrückt sein müsste, hier draußen eine Ranch aufzubauen und sich mit widerspenstigen Rentieren abzugeben, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. In spätestens einem Jahr verkaufe ich mein Rentierfleisch bis nach San Francisco und hab mehr Geld als alle Goldsucher zusammen. Kommen Sie rein!«
    Clarissa und Dolly stellten sich ebenfalls vor, und Clarissa sagte: »Ich muss mich erst um meine Hunde kümmern.« Sie verankerte den Schlitten, ließ die Hunde aber angespannt, um im Notfall sofort aufbrechen zu können. »Und dann wären wir Ihnen sehr verbunden, wenn wir uns drei oder vier Stunden bei Ihnen ausruhen könnten. Wir bezahlen natürlich. Und ein heißer Tee mit Milch und Zucker wäre auch nicht schlecht. Lässt sich das machen?«
    »Natürlich lässt sich das machen«, antwortete Crazy Craig, sichtlich erfreut über seine weiblichen Gäste. »Und wegen der Bezahlung machen Sie sich mal keine Sorgen, die geht bei drei bis vier Stunden aufs Haus. Ich hab ein gemütliches Gästezimmer im Anbau hinter dem Haus. Ich werde gleich mal losziehen und Feuer im Ofen anmachen. Machen Sie sich’s schon mal in meinem Wohnzimmer bequem. In spätestens zehn Minuten gibt’s Tee.«
    Clarissa sparte auch diesmal nicht mit lieben Worten für ihre Hunde. Sie hatten sich auf der langen Fahrt tapfer geschlagen und schienen bereit für das Alaska Frontier Race, das große Hundeschlittenrennen, das in etwas mehr als einem Monat von Fairbanks in die White Mountains und zurück führen würde. Doch das Rennen war im Augenblick ihre kleinste Sorge. Der Rentierzüchter war ihre letzte Chance, etwas über Alex zu erfahren, und obwohl die Chance, dass er etwas wusste, nur gering war, konnte sie es kaum erwarten, ihn zu fragen. »Und jetzt benehmt euch!«, rief sie ihren Hunden zu, bevor sie ins Haus ging. »Streitet euch nicht mit den anderen Hunden, das kostet nur unnötige Energie. In spätestens vier Stunden geht es weiter, dann liegt wieder eine anstrengende Woche vor uns. Ich verlasse mich auf dich, Emmett.«
    Sie kraulte ihn noch einmal zwischen den Ohren und ging ins Haus, wo Crazy Craig schon mit dem Tee und Sandwiches auf sie wartete.

34
    »Nein, der war nicht hier«, sagte Crazy Craig, nachdem Clarissa ihren Mann beschrieben und von seiner bedrohlichen Krankheit berichtet hatte. »Was sollte er auch bei mir? Ich bin kein Arzt, und in Nome gibt’s auch nur Quacksalber. Der ist doch sicher nach Anchorage zu einem schlauen Professor gegangen. Oder meinen Sie, er wollte … Das glauben Sie doch nicht im Ernst?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie ehrlich, »vielleicht wollte er mir nicht zur Last fallen. Er hat öfter von Nome gesprochen, und ich dachte …« Sie verschwieg ihm Bones und sein Rudel. »Ich dachte, er wäre vielleicht hier gewesen, bevor er …« Sie seufzte. »Wir leben genauso einsam wie Sie hier draußen. Er hätte sicher bei Ihnen übernachtet, wenn er nach Nome gegangen wäre.«
    »Tut mir leid, Ma’am. Aber er war nicht hier …« Er stutzte. »Das heißt …« Er setzte seinen Teebecher ab und stand auf. »Vor ein paar Tagen war ein Indianer aus dem Norden hier, die verirren sich selten so weit nach Süden. Ein junger Bursche, der Tabak und Kaffee bei mir kaufen wollte. Dachte wohl, ich gebe ihm das Zeug billiger als die Händler in Nome.« Er kicherte. »Keine Ahnung, wie er hieß. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd, als er hier ankam,

Weitere Kostenlose Bücher