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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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ihrer Schlitten … ja, so musste es sein. Wenn sie nach ihm suchte, würde sie ihn bei den anderen Männern finden, und er würde sagen: »Alles halb so schlimm.«
    Ihr Blick ging zum östlichen Horizont. Rötliche Streifen zeigten sich am Himmel, und die erste Helligkeit kroch über die fernen Hügel. Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. In der Hoffnung, Verständnis bei Smoky für seine Ausmusterung zu finden, kniete sie neben ihm nieder und kraulte ihn ausgiebig zwischen den Ohren.
    »Ich weiß nicht, wie ich es bei dir beibringen soll«, sagte sie, »da geht’s mir wahrscheinlich wie einem Eishockey-Trainer, der einen seiner verdienstvollen Spieler draußen lassen muss. Dich muss ich jetzt aus dem Team nehmen. Mit deinem lädierten Vorderlauf würdest du dich nur verletzen, und das wollen wir doch nicht, oder? Außerdem bist du nicht mehr der Jüngste, und Emmett will auch mal ran. Weißt du noch, als du Billy abgelöst hast? Jeder muss mal seinen Platz räumen, auch wir Menschen sind nicht ein Leben lang voll bei Kräften. Aber keine Angst, du bleibst natürlich bei uns, so wie Billy, Cloud und Buffalo, und bekommst das beste Futter, das ich auftreiben kann, versprochen. Ruh dich mal richtig aus, Smoky!«
    Der Husky merkte wohl am Klang ihrer Stimme und ihrer Körpersprache, was sie ihm sagen wollte, und bekam endgültige Gewissheit, als sie ihn von seinem Geschirr befreite und zu den Hunden neben ihrem Haus führte. Ein wenig niedergeschlagen wirkte er schon, aber als er die anderen Hunde sah, blühte er auf und war nur noch daran interessiert, einen guten Platz und ein bequemes Lager zu bekommen. »So ist’s brav, Smoky! Mach’s dir bequem!«
    Emmett spürte, dass seine große Stunde gekommen war, und konnte gar nicht schnell genug vor den Schlitten kommen. Er war schon öfter mit den anderen Huskys im Gespann gelaufen und hatte ihnen schon auf den ersten Meilen klargemacht, dass bei ihm ein anderer Wind wehte und dass er immer vollen Einsatz verlangte. Die Huskys respektierten ihn, auch Veteranen wie Waco und Chilco, und schienen zu merken, dass es diesmal nicht auf einen Trainingslauf, sondern auf eine viel wichtigere Fahrt ging. »Emmett ist unser neuer Leithund«, sagte sie, »also benehmt euch und macht mir keinen Kummer!«
    Im Haus packte sie Vorräte für ein paar Tage zusammen, auch Hundefutter, und stopfte Ersatzwäsche in einen Beutel. Unterwegs trug sie Hosen wie ein Mann, weil sie praktischer waren und sie sich mit einem Rock zu leicht verheddert hätte und wahrscheinlich schon nach kurzer Zeit gestürzt wäre. Sie überprüfte ihren Revolver, steckte ihn gesichert in ihre rechte Anoraktasche und nahm eine Schachtel mit Patronen mit, für alle Fälle, wie sie sich einredete. Den Hunden, die neben der Blockhütte lagen, stellte sie Futter für ein paar Tage hin. Mehr als zwei oder drei Tage würde sie sowieso nicht wegbleiben. Sie ging nicht auf Verbrecherjagd … Sie suchte nur nach ihrem Mann.
    Nur zur Sicherheit legte sie einen Zettel auf den Tisch. Unter das Datum schrieb sie, dass ihr Schlitten ohne ihren Mann nach Haus gekommen wäre, sie Blutflecken an einem Haltegriff gefunden hätte und jetzt auf der Suche nach ihm und dem Aufgebot wäre. Außerdem bat sie die Männer, die in der Hütte rasteten, nach den Huskys zu sehen.
    Wie fast alle Menschen im Hohen Norden ließ sie die Hütte unverschlossen, um Fallenstellern und anderen Reisenden die Möglichkeit zu geben, bei schlechtem Wetter einen Unterschlupf zu finden, heißen Kaffee oder Tee zu trinken und sich am Ofen zu wärmen.
    Wenig später machte sie sich auf den Weg. »Heya, heya!«, feuerte sie die Huskys in gewohnter Manier an. »Jetzt kannst du zeigen, dass du ein guter Leithund bist, Emmett! Vorwärts, wir haben schon zu viel Zeit vertrödelt!«
    Sie folgte den Spuren, die die Huskys und der Schlitten auf der Herfahrt hinterlassen hatten, und war dankbar, dass es in der letzten Nacht nicht geschneit hatte und die Abdrücke noch deutlich zu sehen waren. Ihre Spuren waren die einzigen auf einem alten Jagdtrail nach Norden. Der Trail wand sich über einige Hügel, durchquerte ein lang gestrecktes Tal, in dem ihr zwei Elchkühe begegneten, glücklicherweise so weit entfernt, dass sie den Hunden nicht gefährlich werden konnten. Emmett witterte sie als Erster und wurde etwas langsamer, drehte sich nur einmal kurz nach den anderen Hunden um, als wollte er ihnen klarmachen, dass keine Gefahr bestand. Kaum waren die Elchkühe

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