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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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für einen Schützen, der sich zwischen den Bäumen versteckt hielt, doch nichts geschah. Als wären die Schüsse niemals gefallen, breitete sich eine so tiefe Stille über dem Tal aus, dass man den Atem der Huskys hören konnte.
    Clarissa richtete sich langsam auf. Ihr Atem, den sie vor Schreck angehalten hatte, kam jetzt nur noch stoßweise und beruhigte sich allmählich wieder. Anscheinend hatten die Kugeln doch nicht ihr gegolten, sonst hätte der unbekannte Schütze längst ein drittes Mal geschossen. Wahrscheinlich doch nur ein Fallensteller oder ein Indianer auf der Jagd. Hätte es einen Kampf zwischen dem Aufgebot und Frank Whittler und seinen Kumpanen gegeben, wären mehr Schüsse gefallen. Sie verschloss ihre Anoraktasche und stieg wieder auf den Schlitten, immer noch weich in den Knien und bereit, sich sofort in den Schnee zu werfen, falls noch ein Schuss krachte. »Kein Grund zur Sorge!«, beruhigte sie die Huskys. »Sie haben nicht auf uns geschossen. Oder meint ihr, die würden uns weiterfahren lassen, wenn sie uns töten wollten?«
    Mit einem leisen »Heya!« trieb sie die Hunde an. Noch war sie nicht überzeugt, es wirklich mit einem Fallensteller oder Indianer zu tun zu haben, immerhin konnte auch einer der Verbrecher auf der Jagd gewesen sein, und sie bemühte sich um ein gemächliches Tempo, das ihr jederzeit die Gelegenheit geben würde, auf einen weiteren Schuss zu reagieren. Natürlich machte sie sich etwas vor. Wenn sie jemand erschießen wollte, brauchte er nur zu warten, bis sie mit dem Schlitten in sein Blickfeld kam, und den Abzug zu betätigen. Aber das würde sie wohl erst später erkennen, wenn die Gefahr vorbei war.
    Am Horizont verblasste bereits das letzte Tageslicht, als sie den Grund des Tales erreichte. Sie hielt in dem Wäldchen an, das den Trail von der Talsenke trennte, bohrte den Anker in den Schnee und schlich geduckt zum Waldrand. Ihre Vorsicht machte sich bezahlt. Durch die kahlen Laubbäume erkannte sie unruhige Schatten. Sie blickte genauer hin und entdeckte fünf Männer, die sich mit gedämpfter Stimme unterhielten. Einer hielt ein Gewehr in den Händen. Sie sahen nicht wie Fallensteller und schon gar nicht wie Indianer aus.
    Frank Whittler und seine Kumpane konnten es nicht sein, sie waren zu dritt. War ein weiterer Mann zu ihnen gestoßen? Clarissa wollte kein Risiko eingehen und schlich noch dichter an die Männer heran. Sie blieb zwischen einigen Bäumen stehen und kniff die Augen zusammen, um besser in der einsetzenden Dunkelheit sehen zu können, doch der helle Schnee blendete sie und ließ sie die Männer nur als verschwommene Schatten wahrnehmen. Noch immer verstand sie kaum ein Wort von dem, was sie sagten. Nur Bruchstücke ihrer Unterhaltung flogen ihr zu: »… nicht gefunden … wo bleibt … der Indianer … wir sollten … aber Marshal, das können Sie doch … natürlich, Marshal.«
    Clarissa atmete erleichtert auf. Der Marshal und seine Männer. Sie lief zu ihrem Schlitten zurück und fuhr aus dem Wald, kündigte sich schon aus der Ferne durch ein lautes »Ich bin’s, Marshal! Clarissa Carmack!« an. Neben den beiden Schlitten des Aufgebots bremste sie und stieg vom Trittbrett. »Guten Abend, Marshal.« Sie nickte den anderen Männern flüchtig zu. »Haben Sie meinen Mann gefunden? Ihm muss was passiert sein! Vor ein paar Stunden kam der leere Schlitten bei mir an. Er muss einen Unfall gehabt haben, oder Whittler und seine Männer haben …« Sie weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu führen. »Haben Sie denn nicht nach ihm gesucht? Ich dachte, er wäre hier bei Ihnen.« Sie blickte auf sein Gewehr. »Warum haben Sie geschossen?«
    »Nur ein Signal, Ma’am. Für unseren Fährtensucher. Mit dem anderen Schuss hat er mir geantwortet. Der Indianer war in den Bergen … auf der Suche nach Ihrem Mann. Ich hatte gehofft, Alex wäre nach Hause gefahren.«
    »Wie kommen Sie denn darauf? Er würde Sie doch niemals im Stich lassen.«
    »Das habe ich auch nicht angenommen.« Der Marshal fuhr mit dem Handrücken über seinen gefrorenen Schnurrbart. »Wir haben die Spuren der Bande verloren, und er wollte das Ufer des White Creek abfahren und nachsehen, ob er dort auf ihre Spuren stößt. Wir haben hier unten nach ihnen gesucht, leider vergeblich. Keine Ahnung, wieso er seinen Schlitten verloren hat.«
    »Whittler?«
    »Dann hätten wir doch Schüsse gehört.«
    »Vielleicht der Grizzly …«
    Der Marshal hatte keine Ahnung, von welchem Grizzly sie sprach, und

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