Die Nacht der Wölfe
begleitet und ihm geholfen hatte, die Tiere auszunehmen und das Fleisch nach Hause zu schaffen. Aber sie erinnerte sich an einen alten Jagdtrail der Indianer, der aus dem Tal in die Berge anstieg und jenseits der aufragenden Gipfel zu einigen Indianerdörfern und weiter westlich zum Yukon River führen musste. Ein beschwerlicher Trail, wie sie sich erinnerte, obwohl sie ihm damals nur wenige Meilen gefolgt waren und die Berggipfel im sommerlichen Tageslicht geleuchtet hatten. Obwohl die Spuren seines Schlittens nicht mehr zu sehen waren, nahm sie an, dass er dort abgebogen war. »Vorwärts! Auf den Trail! Nur keine Müdigkeit vortäuschen, Emmett!«
Ein überflüssiger Appell. Ihr Leithund war alles andere als müde, zeigte sich hellwach und schien sich sogar auf die Herausforderung zu freuen. Kaum hörte er das Kommando »Gee! Nach rechts, Emmett!«, zog er in die gewünschte Richtung und kämpfte sich mit kräftigen Bewegungen die Steigung hinauf. Die anderen Huskys folgten ihm willig, sie hatten längst gemerkt, dass sie ihm blindlings vertrauen konnten, aber auch sein hohes Tempo halten mussten, wenn sie im Team bleiben wollten. Besonders Charly und Benny zeigten, welche Kraft und Energie in ihren jungen Körpern steckten, aber auch die etwas bequemeren Rick und Bonnie und die Oldtimer Waco und Chilco hielten mit. Gerade Chilco, in jungen Jahren immer dabei, wenn es um einen Streit im Gespann ging, hatte seine Angriffslust wiederentdeckt und erlebte seinen zweiten Frühling.
Unter dem Neuschnee auf dem Trail waren die dunklen Schatten mehrerer anderer Spuren zu sehen, und der Schnee lag nicht so hoch, dass sie ihre Schneeschuhe anschnallen und einen Weg für die Hunde bahnen musste. Emmett und seine Artgenossen kamen allein zurecht, sie empfanden den Trail wohl als Herausforderung und wollten zeigen, was in ihnen steckte. Es war eine reine Freude, ihnen zuzusehen, ihre entschlossenen Bewegungen und ihr kraftvolles Muskelspiel. Clarissa hatte fast das Gefühl, sie würden lächeln und die Anstrengung als willkommene Abwechslung begrüßen. »Ihr seid großartig!«, lobte sie die Huskys. »Weiter so! Lauft, ihr Lieben!«
Sie schob den Schlitten mit einem Fuß an, sprang manchmal sogar vom Trittbrett und half den Hunden über ein besonders steiles Stück hinweg. Sie war froh, als sie den ersten Hügelkamm erklommen hatten und der Trail durch einen geschützten Wald führte, bevor er wieder anstieg und sie den Schlitten in die zerklüfteten Felsen in den Ausläufern der White Mountains lenkte. Nur weil die meisten Wälder im Norden licht waren, sah sie überhaupt etwas, und nur, wenn die Fichten besonders dicht standen, war sie dem Instinkt ihrer Huskys ausgeliefert, die sich auch in dunkler Nacht zurechtfanden.
»Alex!«, rief sie, als sie den Schlitten außerhalb des Waldes für einen Augenblick anhielt. »Alex! Wo bist du?« Ihre Stimme wurde von den Felswänden als mehrfaches Echo zurückgeworfen. »Reicht es denn nicht, dass du dich für ein Jahr nach China abgesetzt hast? Komm zurück, verdammt noch mal!«
Ihr derber Fluch brachte Emmett dazu, erstaunt den Kopf zu drehen, zumindest bildete sie sich das ein, dann fuhren sie weiter, und seine Aufmerksamkeit galt wieder dem Trail, der immer schmaler und schwieriger wurde. Zwischen den Felsen hindurch führte er durch geschützte Täler und Schluchten, stieg dann plötzlich wieder an und wand sich an zerklüfteten Felswänden entlang. Rechts der graue Fels eines Bergriesen, dunkel und bedrohlich, links ein steil abfallender Hang mit Geröll und verkrüppelten Bäumen. Weiter unten der gefrorene Beaver Creek, ein beliebter Jagdgrund der Fallensteller.
Sie mahnte die Hunde zur Vorsicht. Zum ersten Mal zweifelte sie daran, das Richtige zu tun, besonders wenn sie den Blick nach vorn richtete und beobachtete, wie die dunklen Wolken immer tiefer sanken und sich wie ein alles erstickender Nebel zwischen den Bergen festsetzten. Eine knappe Meile vor ihnen schneite es bereits, die Felsen wurden zu undeutlichen Schatten, die kaum noch zu erkennen waren. Lange würde es nicht mehr dauern, bis die Wolken sie erreichten und der Blizzard über sie hereinbrach. Sie wusste aus Erfahrung, wie schnell und abrupt das Wetter in den Bergen wechselte, doch aus Angst, ihr Mann könnte irgendwo in dieser Bergwildnis sterben, hatte sie die Natur unterschätzt und sah sich viel zu spät nach einem Unterschlupf um.
Bis zum Ende der Felswand war es mindestens noch eine halbe Meile.
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