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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Fallensteller, der auch ohne Schlitten in der Wildnis zurechtkam – vorausgesetzt, er war unverletzt und hatte keine unüberwindbaren Hindernisse vor sich. Dann war er vielleicht schon auf dem Heimweg und würde in wenigen Tagen bei ihr auftauchen.
    Schweren Herzens entschloss sie sich, nach Hause zu fahren. Sie würde einige Tage auf ihn warten und dann noch einmal losziehen, mit Ausrüstung und Proviant für eine längere Reise, und erst wieder umkehren, wenn sie ihn gefunden hatte. Falls er in der Wildnis gestorben sein sollte, wollte sie ihn wenigstens neben ihrer Blockhütte begraben, und wenn sie drei Tage mit Spitzhacke und Schaufel arbeiten musste, um den harten Boden aufzureißen.
    Von diesen düsteren Gedanken geplagt, fuhr sie weiter nach Süden. Ihre Huskys schienen zu spüren, welche Sorge auf ihr lastete, besonders Emmett, der sich öfter nach ihr umdrehte und einmal sogar aus dem Tritt kam und sich in den Leinen verhedderte, was ihm sonst nie passierte. Clarissa musste anhalten und ihn und die anderen Hunde entwirren, bevor sie weiterfahren konnte. »Ich weiß«, sagte sie schuldbewusst, »ich sollte mich zusammenreißen. So schnell lässt sich Alex nicht unterkriegen, was? Der taucht in ein paar Tagen wieder bei uns auf und tut so, als wäre nie etwas gewesen.« Sie kehrte aufs Trittbrett zurück und konzentrierte sich auf die Fahrt. Zu den ungeschriebenen Gesetzen der Wildnis gehörte auch, dass man sich nicht ablenken lassen durfte, denn schon eine unbedachte oder falsche Bewegung konnte einen in Schwierigkeiten bringen.
    Die Gefahren, die ohnehin im Halbdunkel auf einen lauerten, waren schon groß genug. Ein Elch, der unerwartet aus dem Wald brechen und mit den Hufen nach den Hunden ausschlagen konnte, ein Grizzly, der keine Lust auf Winterschlaf verspürte, ein plötzlicher Wetterumschwung, wie sie ihn in den White Mountains erlebt hatte.
    Wenigstens das Wetter blieb so, wie es sich jeder Musher erträumte. Der am späten Morgen noch pinkfarbene Himmel leuchtete am Horizont jetzt wie flüssiges Feuer und ergoss sich über die Gipfel der White Mountains. Wie ein goldener Schleier lag es über dem Trail, der am Waldrand entlang durch ein weites Tal führte und im Zwielicht beinahe magisch wirkte. Die Schwarzfichten leuchteten in einem dunklen Grün und bildeten einen scharfen Kontrast zu den verschneiten Wiesen jenseits des Trails. Es war immer noch kalt, aber beinahe windstill, der Schnee griffig und wie geschaffen für die Huskys, die wieder festen Halt fanden und mit großer Begeisterung bei der Sache waren. Emmett dachte nicht daran, sich noch einmal aus der Ruhe bringen zu lassen.
    Sie erreichten die heimatliche Blockhütte am frühen Abend. Das goldene Licht war erloschen, und die einzige Helligkeit kam vom Mond und den Sternen, die zum ersten Mal seit langer Zeit wieder deutlich zu sehen waren. Über den fernen Bergen flackerte vereinzeltes Nordlicht in allen Grüntönen. Romantischer zeigte sich der Hohe Norden nur selten, und doch spürte Clarissa, wie sich beim vertrauten Anblick der Blockhütte ihre Kehle verengte, denn beide Fenster waren dunkel, und ihre stille Hoffnung, ihr Mann könnte vor ihr nach Hause zurückgekehrt sein und auf sie warten, erfüllte sich leider nicht.
    Sie lenkte den Schlitten aus dem Wald und hielt auf die Hütte zu. Schon aus der Ferne hörte sie das aufgeregte Jaulen der zurückgebliebenen Huskys, die sich auf ihre Artgenossen freuten. Sie bremste vor dem Haus, begrüßte Smoky, Billy, Buffalo und Cloud, umarmte jeden Einzelnen und versprach ihnen, sich gleich um ihr Fressen zu kümmern.
    »Tut mir leid, dass wir jetzt erst kommen«, entschuldigte sie sich bei ihnen, »wir hatten einen Unfall, und ich musste mich erst erholen. Jetzt spüre ich die Wunde kaum noch.« Sie berührte den Verband an ihrem Oberarm. »Und wie sieht’s bei euch aus? Hab ich euch auch genug zu fressen und zu saufen dagelassen? Das will ich doch hoffen.«
    Auch bei Emmett und den Huskys ihres Gespanns bedankte sie sich ausführlich. Sobald man die Leistungen seiner Hunde für selbstverständlich hielt, lief man Gefahr, ihr Vertrauen zu verlieren. Sie streichelte und liebkoste sie ausgiebig, besonders Emmett, der sich ohne seine gewohnten Streicheleinheiten geweigert hätte, sein Fressen anzurühren, und versprach ihnen, sich zu beeilen. In der Hütte brachte sie den Ofen in Gang und erhitzte Schnee in einer Schüssel. Erst nachdem sie die Hunde versorgt hatte, brachte sie die Vorräte

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