Die Nacht der Wölfe
Felsspalte gefunden. Die Verbrecher haben ihn wahrscheinlich erschossen. Ich habe ihre Spuren in der Nähe gefunden. Tut mir leid, Ma’am … tut mir leid.«
Sie nickte nur und drückte die blutige Mütze in ihrer Hand.
16
Clarissa hörte nicht, wie sich der Fährtenleser für die traurige Nachricht entschuldigte und ihr mit einem indianischen Wort, das sie nicht verstand, sein Beileid ausdrückte. Sie bemerkte auch nicht, wie er vom Schlitten stieg und sich ihr vorsichtig näherte, ihr anscheinend eine Hand auf die Schulter legen wollte und sie gleich wieder zurückzog, weil es sich für einen Indianer nicht schickte, einer weißen Frau auf diese Weise nahezukommen. »Die Felsspalte ist zu tief, Ma’am«, sagte er, »sonst hätte ich versucht, ihn rauszuholen …«
Mit versteinertem Gesicht sank sie auf die Knie, die blutverschmierte Mütze noch immer in den Händen. Vom Schmerz übermannt, begann sie zu weinen, zuerst langsam und stockend, dann immer lauter, bis sie ihre Wut über den tragischen Verlust laut hinausschrie, mit beiden Fäusten auf den vereisten Boden schlug und immer wieder den Namen ihres Mannes rief, als könnte sie ihn dadurch bewegen, zu ihr zurückzukehren. Sie weinte hemmungslos, schwankte zwischen Trauer und Wut, zeterte und schrie und brach irgendwann erschöpft zusammen. Sie sank nach vorn, drückte ihr heißes und von Tränen bedecktes Gesicht in den Schnee, empfand die Kälte wie eine Wohltat, obwohl sie schon nach kurzer Zeit auf ihren Wangen brannte.
Als sie etwas Warmes und Feuchtes auf ihrer Haut spürte, glaubte sie zuerst, Bones wäre zu ihr zurückgekehrt, doch als sie die Augen öffnete, erkannte sie Emmett, der mit den anderen Huskys zu ihr gekommen war und sie zärtlich mit seiner feuchten Schnauze anstieß. »Emmett!«, flüsterte sie. »Emmett! Du hast ja recht. Wenn ich hier liegen bleibe, erfriere ich irgendwann.«
Sie wischte sich den Schnee und die Tränen vom Gesicht und stemmte sich vom Boden hoch. »Es muss immer weitergehen, nicht wahr? Es muss …« Sie begann wieder zu weinen, hörte das besorgte Jaulen ihrer Huskys und unterdrückte die Tränen, schniefte nur noch ein wenig. Sie stopfte Alex’ Mütze in ihre Anoraktasche, klopfte sich den Schnee vom Anorak und stieg auf ihren Schlitten. Nachdem sie ihn gewendet hatte, feuerte sie die Hunde an: »Vorwärts! Lauft … lauft, bewegt euch! Emmett … Wir fahren nach Hause!«
Unter Tränen fuhr sie los, der Fahrtwind blies ihr ins Gesicht, und die schwere Last der Nachricht, die ihr der Fährtensucher gebracht hatte, lag auf ihren Schultern und ihrem Herzen. Alex war tot. Er lag in einer tiefen Felsspalte und würde nie mehr zu ihr zurückkehren. Auch wenn seine Leiche nicht geborgen war, musste sie seinen Tod akzeptieren. Ein erfahrener Fährtenleser wie der Indianer irrte sich nicht. Alex war von einem der Verbrecher getötet oder verwundet worden und in die Felsspalte gestürzt. Einen Sturz in einen solchen Abgrund überlebte man nicht. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte der Indianer sein Stöhnen gehört und sofort Hilfe geholt.
Alex war für immer von ihr gegangen.
Wieder stieg ihr die Wut über die gemeine Tat der Verbrecher in den Kopf, und sie feuerte ihre Hunde noch stärker an. »Lauf, Emmett! Nun lauft doch endlich! Vorwärts! Go! Go!« Ihre Stimme überschlug sich fast, wurde wieder von verzweifeltem Schluchzen abgelöst, als die Hunde noch stärker anzogen und sie mit dem Schlitten regelrecht über den Trail flog. Während eines Rennens und auf ebener Strecke hätte man sie dafür gelobt, doch dieser Trail war kurvenreich und gefährlich, und als sie am Waldrand entlang und über einen Hügelkamm raste, verlor sie plötzlich die Kontrolle und rutschte mit dem Schlitten den steilen Hang hinab. Mit einem Aufschrei kehrte sie aus ihrer Benommenheit zurück, gerade noch rechtzeitig, um sich mit einer Hand an den Schlitten zu klammern und die Huskys am Durchgehen zu hindern.
Auf dem Bauch, eine Hand an der Strebe über der linken Kufe, glitt sie über den vom Wind blankgefegten Hang und landete im Tiefschnee weiter unten.
Mit geschlossenen Augen blieb sie liegen, schockiert über ihr leichtsinniges Verhalten, das nicht nur sie, sondern auch die Huskys in große Gefahr gebracht hatte. Mit einer Hand hielt sie immer noch den Schlitten, mit der anderen zog sie sich hoch und blickte besorgt auf ihr Gespann. Den Hunden war nichts passiert. Sie waren nur erstaunt und teilweise so tief im Schnee
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