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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Krediten, aber das störte sie nicht. Für sie waren alle Banker betrügerische Pfeffersäcke, egal in welchem Land.
    »Die Bank öffnet um zwei, Ma’am.« Er machte keine Anstalten, seine Zigarre auszudrücken. »Mrs Carmack, Sie wissen doch, dass wir so lange Mittag machen. Und falls Sie um eine Verlängerung Ihres Kredits nachfragen, muss ich Sie leider enttäuschen. Drei Monate, länger kann ich nicht warten.«
    Dolly nahm dem Bankdirektor die Zigarre ab und drückte sie auf seinem schmutzigen Teller aus. »Wenn Sie nicht sofort kommen, zahlt sie ihn überhaupt nicht zurück! Also heben Sie gefälligst Ihren hübschen Hintern. Es sei denn, Sie wollen nicht, dass Mrs Carmack ihren Kredit schon jetzt bezahlt.«
    »Sie wollen bezahlen? Ja, meine Damen, warum sagen Sie das denn nicht gleich?«
    Schallendes Gelächter begleitete den Bankdirektor, als er sich mühsam von seinem Stuhl erhob, einige Geldscheine neben den Teller mit der immer noch qualmenden Zigarre legte und mit hochrotem Gesicht zur Tür ging. Die beiden Frauen folgten ihm, Dolly mit einem schadenfrohen Grinsen, Clarissa mit verlegener Miene.
    »Und wenn Sie uns ein anständiges Angebot unterbreiten, wollen wir vielleicht noch mehr«, erklärte Dolly auf dem verschneiten Plankenweg vor dem Lokal. »Vorausgesetzt, im Safe Ihrer Bank ist eine größere Summe sicher.«
    »Eine größere Summe?« Die Miene des Bankdirektors hellte sich auf. »Aber natürlich … Verzeihen Sie, aber ich kenne noch gar nicht Ihren Namen.«
    »Dolly Kinkaid«, antwortete sie. »Clarissa und ich sind Partnerinnen. Wir eröffnen ein Roadhouse bei Clarissas Blockhütte. Könnte durchaus sein, dass wir alle Geldgeschäfte über Ihre Bank abwickeln werden. Wie Sie sicher wissen, sind Kunden wie wir wesentlich zuverlässiger als die meisten Goldsucher, die heute einen dicken Nugget einzahlen und am nächsten Tag alles wieder abheben, weil sie ihren Reichtum unbedingt beim Pokerspiel verlieren wollen.«
    »Das ist mir bekannt. Sie gefallen mir, Mrs Kinkaid.«
    »Dann sind Sie schon der Zweite heute«, erwiderte Dolly lachend.

23
    Bei den Verhandlungen in der Bank zeigte Dolly ihr Verhandlungsgeschick. War sie bei der Witwe Bowles im Lokal noch ruppig und unverschämt gewesen, benahm sie sich jetzt wie eine ausgesprochene Lady, der derbe Ausdrücke vollkommen fremd waren. Dank ihres freundlichen Lächelns gelang es ihr, die höchstmöglichen Zinsen für ihr Konto herauszuschlagen. »Es war mir eine außerordentliche Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Mister Flemming. Und verzeihen Sie bitte, dass wir Sie in Ihrer Mittagsruhe gestört haben, aber wichtige Geschäfte dulden keinen Aufschub.«
    »Das könnte auch mein Motto sein, Mrs Kinkaid.«
    Vor der Bank blickte Clarissa ihre Freundin vorwurfsvoll an. »Im Lokal hättest du ruhig ein bisschen freundlicher zu ihm sein können, und das Gesülze in der Bank nimmt dir doch auch kein Mensch ab. Was ist denn bloß in dich gefahren, Dolly? So schlimm ist Flemming doch gar nicht.«
    »Es hat niemand gesagt, dass ich ein Engel bin«, verteidigte sich Dolly. »Ich bin mit sechs Brüdern aufgewachsen, da kriegt man schnell mit, wie hart es im Leben zugehen kann. Und was den Bankdirektor betrifft … Einer meiner Onkel in Liverpool war Bankdirektor, und selbst der versuchte mich noch übers Ohr zu hauen, als ich wegen eines Kredits mit ihm verhandeln wollte.«
    »Dafür kann doch Flemming nichts.«
    »Ich weiß … Ich war ein Scheusal, nicht wahr?«
    »Zur Feindin möchte ich dich jedenfalls nicht haben.« Sie gingen an der Häuserzeile entlang und blieben noch einmal stehen. »Wenigstens brauche ich mir um den Iren, der unser Roadhouse bauen soll, keine Sorgen zu machen. Selbst ein Blinder hätte gesehen, wie sehr du von dem Burschen angetan warst. Du hättest deine Augen sehen sollen, als du ihn angeblickt hast!«
    »Du willst es mir heimzahlen, was?«
    »Ich sage nur, was ich gesehen habe.«
    »War es so schlimm?«
    »Du weißt doch, was manche Frauen für Kuhaugen bekommen, wenn ihnen ein Mann gefällt. Wie linkisch und unnatürlich sie sich benehmen …«
    »Schon gut, schon gut. Ich mag ihn.«
    »Du magst ihn sehr.«
    »Okay, ich mag ihn sehr. Das heißt noch lange nicht, dass ich morgen früh mit ihm zum Friedensrichter laufe und mir einen Ring anstecken lasse. Er soll uns ein Roadhouse bauen und wird anständig dafür bezahlt, weiter nichts.«
    »Aber du hättest es lieber, wenn ich bei dem Treffen nicht dabei bin.«
    »Ich …

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