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Die Nacht der Wölfe

Die Nacht der Wölfe

Titel: Die Nacht der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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versicherte jedem Einzelnen, wie wichtig er für sie war. Sie vergaß auch die zurückgebliebenen Hunde nicht, Smoky, Billy, Cloud und Buffalo, die ihr jahrelang so wertvolle Dienste geleistet hatten, verwöhnte jeden mit einem liebevollen Klaps und sagte: »Ihr seid die Besten! Es gibt keine besseren Huskys als euch. Ich weiß, Alex ist nicht mehr bei uns, deshalb müssen wir fest zusammenhalten, habt ihr gehört? Wir müssen uns aufeinander verlassen können.«
    Dolly war nicht im Haus, doch unten am Flussufer brannte ein großes Feuer, und die schrägen Klänge einer Fiddle tönten zu ihr herauf. Ein Lied, das sie von irischen Fischern kannte.
    Obwohl sie hundemüde war und am liebsten sofort ins Bett gefallen wäre, stapfte sie den Hang hinunter. Die Wärme des Feuers war bereits jetzt zu spüren.
    Die Flammen loderten hoch empor und tauchten die Fichten am nahen Waldrand in helles Grün, über den Schnee geisterten helle Flecken und verloren sich im Dunkel der Nacht. Harzknoten zersprangen knisternd. Die Männer mussten ordentlich Holz aufgelegt haben.
    Auf zwei Baumstämmen um das Feuer saßen Dolly und ungefähr zwölf Männer. Einer stand und spielte die Fiddle, tanzte und jauchzte dabei und stampfte mit einem Bein den Rhythmus. »Musha ring dumma do dumma daa …«, sangen die Männer, und Clarissa hatte keine Ahnung, was die seltsamen Worte bedeuteten, »there’s whiskey in the jar«, da ist Whiskey im Krug. Ein irisches Sauflied, das sie an die Abende mit den Fischern in Vancouver erinnerte, wenn sie mit ihrem Vater von einer Fahrt zurückgekehrt war und sie alle zusammen gefeiert hatten. Portugiesen, Spanier, Engländer, Iren, … Jeder gab ein Lied aus seiner alten Heimat zum Besten, und je weiter der Abend fortgeschritten war, desto öfter erklang das irische Whiskey in the Jar.
    »Hey, Clarissa!«, rief Dolly, als sie in den Feuerschein trat, »da bist du ja endlich!« Sie saß neben dem Hünen, den sie in Fairbanks kennengelernt hatte, trug Hosen wie die Männer und stemmte einen Krug. Mit der freien Hand schlug sie den treibenden Rhythmus mit. »Diese Iren verstehen zu feiern.«
    Die Männer empfingen sie mit fröhlichen Mienen, nicht betrunken, aber angeheitert, und einer zog sie neben sich auf den Baumstamm, ohne dabei im Refrain innezuhalten. »There’s whiskey in the jar, there’s whiskey in the jar …« Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als sich zu setzen, und nach einer Weile rissen die schwungvolle Melodie und der Rhythmus auch sie mit, und sie klatschte in die Hände und vergaß zumindest für einen Moment ihre Sorgen.
    Als der letzte Ton des Liedes verklungen war und der Fiddler seinen Bogen absetzte, erhob sich Jerry O’Rourke, der Hüne, und sorgte mit einigen ungelenken Gesten für Ruhe. »Macht mal halblaut, ihr verdammten Säufer, ich will eine Rede halten! Könnt ihr nicht mal für einen Moment still sein?«
    »Hört, hört!«, lästerte der Mann neben Clarissa. »Jerry hät eine Rede.«
    »Ich möchte einen Toast aussprechen«, setzte der Hüne noch einmal an, »auf eine schöne Lady, der wir alle nachsehen, dass sie aus einem Land kommt, dessen Name mir nicht über die Lippen kommen will. Auf eine Frau, die ihren Fuß niemals auf den heiligen Boden unserer geliebten Heimat gesetzt hat und den falschen Dialekt spricht, ihr Herz aber auf dem rechten Fleck trägt und, ob ihr’s glaubt oder nicht, schon einmal mit einem Iren verheiratet war. Nur der unglückliche Tod ihres Mannes konnte diese Ehe beenden. Auf die schönste Frau südlich des Yukon, die Prinzessin des Hohen Nordens, auf die Wohltäterin, die zwölf irische Männer aus dem Gefängnis ihrer Winterruhe befreit und ihnen die Arbeit gibt, die sie wirklich beherrschen.« Er blickte Dolly an, und sein Ton wurde beinahe feierlich. »Liebe Dolly, du siehst elf erstklassige Arbeiter vor dir. Gelernte Zimmerleute und Holzfäller, die entscheidenden Anteil daran haben, dass die Canadian Pacific von einer Küste zur anderen fährt, und die dir ein Roadhouse hinstellen, wie du es noch nie gesehen hast. Denn was können wir Iren am besten? Saufen, tanzen und arbeiten! Saufen und tanzen werden wir heute noch, aber ab morgen wird nur noch gearbeitet, und bevor du dich versiehst, steht dein Roadhouse vor dir. Darauf wollen wir trinken, ihr Lieben! Wie sagen wir in der alten Heimat? Ich wünsche euch glückliche und gesunde hundert Jahre und ein Jahr extra – zum Bereuen eurer Sünden! Cheers, you youngish lads! «
    »Cheers!«,

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