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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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nicht nachstand. Wenn Marsten in einer neuen Stadt eintraf, setzte er sich mit den Werwölfen in Verbindung, die sich in der Umgebung aufhielten, lud sie zu einem teuren Abendessen ein, machte bezaubernde Konversation, legte ihnen ein einziges Mal nahe, sie sollten aus der Stadt verschwinden, und tötete sie, wenn sie um Mitternacht noch nicht fort waren. Was Marsten wollte, das nahm er sich … ohne Bedenken und ohne eine Spur von persönlicher Bösartigkeit. Was er im Augenblick wollte, war ein Territorium. Seit einigen Jahren hatte er durchblicken lassen, dass er gern sesshaft werden würde, und Scherze darüber gemacht, dass er sich dem Pensionsalter näherte. Das Rudel hatte ihn ignoriert. Nun hatte Marsten das Warten satt. Heute hatte er sich neben mich gesetzt, mir Komplimente über meine Artikel gemacht und mir Schmuck angeboten. Morgen würde er mich ausschalten, wenn ich ihm in die Quere geriet. Es war nicht persönlich gemeint – es war einfach der natürliche Gang der Dinge.

Eindrücke
    Mindestens zehn Minuten lang studierte LeBlanc mich wie ein Entomologe, der ein unbekanntes Insekt untersucht. Ich wäre am liebsten gegangen. Vielleicht war das der Sinn der Übung. Wenn dieser Dreckskerl mich noch lang genug anstierte, würde ich ins Bad stürzen und mir die Hände waschen, und dort hätten er und Marsten mich in die Enge getrieben. Ich versuchte nur daran zu denken, dass LeBlanc Logan umgebracht und Jeremy angegriffen hatte, aber es gelang mir nicht. Immer wieder fielen mir die Frauen ein, die er ermordet hatte, die Details, die ich in seinem Album gefunden hatte. Logans wegen wollte ich ihn umbringen. Der anderen wegen wollte ich, dass er starb, aber ich wollte es nicht selbst erledigen, denn dazu würde ich ihn berühren müssen.
    Ich zwang mich dazu, all das zu vergessen und mich auf eine Bestandsaufnahme zu konzentrieren. Das Leben hatte es in den letzten paar Jahren mit Thomas LeBlanc nicht allzu gut gemeint. Er war heruntergekommen seit dem gepflegten Mann auf dem Polizeifoto. Damit will ich nicht sagen, dass er schmuddelig oder unrasiert gewesen wäre oder sonst eine der äußeren Eigenschaften mitgebracht hätte, die der Durchschnittsbürger an einem psychopathischen Serienkiller zu sehen erwartet. Er sah aus wie ein Arbeiter in den Dreißigern in Kaufhausjeans, einem verwaschenen T-Shirt und Freizeitschuhen von Wal-Mart. Seit dem Foto hatte er außerdem an Gewicht zugelegt. Unglückseligerweise war es nicht Fett, sondern Muskelmasse.
    »Du wolltest mit mir reden?«, fragte ich schließlich.
    »Ich hab mich gefragt, worum sie eigentlich das ganze Getue machen«, antwortete er mit einem Blick, der mir verriet, dass er sich das Gleiche immer noch fragte.
    Er verlegte sich wieder auf wortloses Stieren. Es erforderte meine ganze Selbstbeherrschung, neben ihm sitzen zu bleiben. Ich mühte mich darum, die Dinge in der richtigen Perspektive zu sehen: Er war ein neuer Werwolf; ich war ein erfahrener Werwolf. Kein Grund zur Besorgnis. Aber immer wieder verschob sich das Bild. Er hatte es auf Frauen abgesehen. Ich war eine Frau. Ganz gleich wie sehr ich mich bemühte, die Dinge rational zu halten, ganz gleich wie tough ich zu sein versuchte, der Mann machte mir Angst. Tief unten, wo Logik und Vernunft nicht zum Zug kamen. Nach ein paar Minuten sah ich, wie sich hinter dem Einwegglas ein Schatten bewegte. Geradezu erleichtert über die Ablenkung stand ich auf und ging hinüber. Clay war im Zimmer nebenan. Allein. Er saß am Tisch, auf dem Stuhl zurückgelehnt, so dass die vorderen Stuhlbeine den Boden nicht berührten. Es waren weder Handschellen noch Wachmänner noch Schrammen und blaue Flecken zu sehen. Gut. Bis auf weiteres.
    »Das ist er?«, fragte LeBlanc hinter mir. »Der berüchtigte Clayton Danvers? Sag mir, dass es nicht stimmt.«
    Ich sah weiter zu Clay hinüber.
    »Herrgott noch mal, ich glaub's nicht«, murmelte LeBlanc. »Wo zum Teufel hat das Rudel euch beide denn gefunden – beim Beachvolleyball? Tolle Sonnenbräune. Mann, die Locken.« LeBlanc schüttelte den Kopf. »Der ist nicht mal so groß wie ich. Wie viel, eins zweiundachtzig? Hundert Kilo in Stahlstiefeln? Herrgott. Da rechnet man mit 'nem Riesentyp, irgendwas Gemeingefährliches mindestens so groß wie Cain, und was findet man? Den künftigen Baywatch-Star. Sieht aus, als könnte der IQ gerade reichen. Kann er Kaugummi kauen und sich gleichzeitig die Schuhe zubinden?«
    Clay hörte auf, mit seinem Stuhl zu spielen, und drehte den

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