Die Nacht der Wölfin
–«
»Die Stellensuche meine ich. Ich werde nicht nach einer Stelle suchen, Elena, und ich will nicht dauernd irgendwelche Regieanweisungen beachten müssen. Sag doch einfach, ich habe an der Universität zu tun – meine übliche Arbeit. Ich werde bei ein paar Leuten vorbeischauen, zeitweise im Institut sein, vielleicht auch ein bisschen recherchieren. Bleiben wir möglichst nah an der Wahrheit.«
»Sicher, aber es wäre doch einfacher, wenn wir –«
»Ich mache keine Rollenspiele mit, Elena. Jedenfalls nicht mehr, als ich unbedingt muss.«
Er drehte sich wieder zum Fenster und sagte den Rest des Fluges über kein Wort mehr.
So viel ich auch darüber nachgegrübelt hatte, das ganze Ausmaß dessen, was wir taten, wurde mir erst im Flughafen klar. Wir hatten unser Gepäck vom Band geholt und waren auf dem Weg zu den Taxis, als mir aufging, dass ich Clay jetzt mit in die Wohnung nehmen würde, die ich mit Philip teilte. Ich spürte, wie mir die Brust eng wurde und mein Herz zu hämmern begann, und als wir den Ausgang erreicht hatten, steckte ich mitten in einem ausgewachsenen Panikanfall.
Clay war mir einen Schritt voraus. Ich streckte die Hand aus und packte ihn am Arm.
»Du musst das doch nicht tun«, sagte ich.
Er sah mich nicht an. »Jeremy will es so.«
»Aber das heißt doch nicht, dass du es tun musst. Er will, dass ich in Sicherheit bin, stimmt's? Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, das zu erreichen.«
Clay wandte mir immer noch den Rücken zu. »Ich habe gesagt, ich bleibe bei dir. Und das werde ich auch tun.«
»Du kannst das tun, ohne dass du mit in meine Wohnung kommen musst.«
Er blieb stehen und drehte sich weit genug zu mir um, dass ich ihn im Viertelprofil sah. »Und wie soll ich das anstellen? Indem ich draußen im Hofeingang schlafe?«
»Nein, ich meine, wir müssen nicht zu mir nach Hause gehen. Wir können irgendwo anders unterkommen. Ein Hotelzimmer oder so was.«
»Und du würdest mitkommen?«
»Sicher. Natürlich.«
»Und mit mir dort bleiben?«
»Genau. Was immer du willst.«
Ich hörte die Verzweiflung in meiner Stimme und verachtete mich dafür, aber ich konnte sie nicht unterdrücken. Meine Hände zitterten so heftig, dass die Leute ringsum aufmerksam zu werden begannen.
»Was immer du willst«, wiederholte ich. »Jeremy braucht es nicht zu wissen. Er hat gesagt, er wird uns nicht anrufen, also wird er auch nicht erfahren, ob wir in der Wohnung sind oder nicht. Ich werde in Sicherheit sein, und du wirst bei mir sein. Das ist doch das Wichtigste, oder?«
Fast eine Minute lang bewegte Clay sich nicht. Dann drehte er sich langsam zu mir um. Dabei sah ich einen Schimmer der Hoffnung in seinen Augen, der aber verschwand, sobald er meinen Gesichtsausdruck sah. Seine Kiefermuskeln strafften sich, und er hielt meinen Blick fest.
»Okay«, sagte er. »Was immer ich will?« Er drehte sich nach einer Reihe von Telefonen um und griff nach dem nächsten Hörer. »Ruf ihn an.«
»Er hat gesagt, wir sollen nicht anrufen. Kein telefonischer Kontakt.«
»Nicht Jeremy. Diesen Mann. Ruf ihn an und sag ihm, dass es aus ist. Die Wohnung gehört ihm. Du holst dein Zeug später ab.«
»Das ist nicht –«
»Das ist nicht das, was du gemeint hattest, stimmt's? Dachte ich mir schon. Was hast du also stattdessen vor? Von einem zum anderen zu rennen, bis du dich entschieden hast?«
»Ich habe mich entschieden. Was da in Stonehaven passiert ist, war ein Fehler. Es ist immer ein Fehler gewesen. Ich habe dich nie getäuscht. Du hast gewusst, dass es jemand anderen gibt. Es war diese verdammte Sache, die jedes Mal passiert, wenn ich zu euch zurückgehe. Es saugt mich auf. Ich verliere mich drin.«
»In was? Dem Haus? Einem Haufen Ziegel und Mörtel?«
»In diesem Ort«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne. »Dieser Welt und allem, was zu ihr gehört, einschließlich dir. Ich will das nicht, aber wenn ich dort bin, kann ich nicht widerstehen. Es übernimmt einfach die Kontrolle.«
Er lachte kurz und scharf auf. »Blödsinn. Es gibt nichts in dieser Welt oder jener Welt oder irgendeiner Welt, gegen das du dich nicht wehren könntest, Elena. Weißt du, was für eine magische Macht das ist, die ›dieser Ort‹ über dich hat? Er macht dich glücklich. Aber das willst du nicht wahrhaben, denn für dich liegt das einzige akzeptable Glück in der ›normalen‹ Welt, mit ›normalen‹ Freunden und einem ›normalen‹ Mann. Du bist einfach wild entschlossen, dein Glück in dieser
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