Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
Art von Leben zu finden, und wenn es dich umbringt.«
    Die Leute starrten uns inzwischen in aller Offenheit an. In meinem Kopf hätten jetzt die Alarmglocken schrillen sollen, die mir mitteilten, dass ich mich für die Menschenwelt unpassend aufführte. Aber sie taten es nicht. Es war mir völlig egal. Ich drehte mich auf dem Absatz um und starrte zwei ältere Damen an, die hinter mir missbilligende Gluckslaute von sich gaben. Sie wichen mit aufgerissenen Augen zurück. Ich ging mit langen Schritten zum Ausgang.
    »Wann hast du ihn das letzte Mal angerufen?«, rief Clay hinter mir her.
    Ich blieb stehen.
    Clay kam hinter mir her und senkte die Stimme, bis niemand außer mir ihn verstehen konnte. »Abgesehen von heute Morgen, als du ihm gesagt hast, dass wir kommen. Wann hast du ihn das letzte Mal angerufen?«
    Ich sagte nichts.
    »Sonntag«, sagte er. »Vor drei Tagen.«
    »Ich hatte zu tun.«
    »Quatsch. Du hast ihn vergessen. Du glaubst, er macht dich glücklich? Du glaubst, dieses Leben macht dich glücklich? Na, dann hast du ja jetzt deine Chance. Zeig's mir. Zeig mir, wie glücklich es dich macht. Beweis es mir.«
    »Fick dich ins Knie«, fauchte ich und ging zur Tür.
    Clay kam hinterher, aber er kam zu spät. Ich war draußen und saß in einem Taxi, bevor er mich einholte. Ich knallte die Autotür zu, wobei ich Clays Finger nur knapp verfehlte, und nannte dem Fahrer meine Adresse. Als wir losfuhren, gestattete ich mir den kleinen Triumph eines Blicks in den Spiegel, der mir zeigte, wie Clay noch auf dem Gehweg stand.
    Zu schade, dass ich nicht etwas genauer gewesen war, als ich ihm gesagt hatte, wo ich wohnte. ›In der Nähe‹ des Sees lagen eine ganze Menge Immobilien, und eine ganze Menge davon waren Appartementhäuser.
    Als ich den Block erreichte, klingelte ich an der Haustür. Philip meldete sich über die Sprechanlage und klang überrascht, als ich mich ankündigte. Ich hatte den Schlüssel nicht verloren. Fragen Sie mich jetzt bloß nicht, warum ich überhaupt klingelte, um eingelassen zu werden. Ich konnte nur hoffen, dass auch Philip nicht fragen würde.
    Als ich auf unserem Stockwerk ankam, wartete Philip draußen vor der Aufzugtür. Er streckte die Arme aus und umarmte mich. Ich erstarrte instinktiv, bevor ich die Geste erwiderte.
    »Du hättest vom Flughafen aus anrufen sollen«, sagte er. »Ich hätte dich doch abgeholt.« Er nickte über meine Schulter hinweg. »Wo bleibt denn unser Gast?«
    »Kommt später. Vielleicht gar nicht.«
    »Er kommt nicht?«
    Ich zuckte die Achseln und markierte ein Gähnen. »Ziemlich übler Flug. Lauter Turbulenzen. Du hast keine Ahnung, wie froh ich bin, wieder zu Hause zu sein.«
    »Nicht so froh, wie ich bin, dass du wieder da bist, Liebes.« Philip eskortierte mich in die Wohnung. »Setz dich einfach hin. Ich habe uns gegrilltes Hühnchen mitgebracht; ich wärme es auf.«
    »Danke.«
    Ich hatte die Schuhe noch nicht ausgezogen, als jemand an die Tür hämmerte. Ich erwog es zu ignorieren, aber letzten Endes hätte mir das nichts genützt. Philip mochte vielleicht nicht so gut hören wie ich, aber er war nicht taub.
    Ich riss die Tür auf. Clay stand draußen, unser Gepäck in den Händen.
    »Wie hast du –«, begann ich.
    Er hob meine Tasche hoch. Am Henkel baumelte mein Schildchen, auf dem in sauberer Druckschrift mein Name und meine Adresse standen.
    »Der Pizzabote hat mir netterweise die Tür aufgehalten«, sagte er. »Tolles Sicherheitssystem.«
    Er kam herein und warf die Tasche neben die Garderobe. Hinter mir öffnete sich die Küchentür. Ich erstarrte und horchte auf Philips näher kommende Schritte. Die Vorstellung blieb mir in der Kehle stecken. Was, wenn Clay sich nicht darauf einließ? War es zu spät, meine Story abzuändern? War es zu spät, um ihn zur Tür hinauszuschieben?
    »Du musst Elenas Cousin sein«, sagte Philip, während er die Hand ausstreckte.
    »Clay«, brachte ich heraus. »Clayton.«
    Philip lächelte. »Freut mich, dich kennen zu lernen. Was ist dir lieber – Clayton oder Clay?«
    Clay sagte nichts. Er sah Philip nicht einmal an, hatte ihn nicht angesehen, seit er die Wohnung betreten hatte. Stattdessen hielt er den Blick auf mein Gesicht gerichtet. Ich sah den Ärger, der dort schwelte, die Empörung und die Demütigung. Ich wappnete mich für den Ausbruch. Er kam nicht. Stattdessen verlegte Clay sich auf eine unvorstellbare Unhöflichkeit. Er ignorierte Philip, die Begrüßung, die Frage und die ausgestreckte Hand und

Weitere Kostenlose Bücher