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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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glaubst, Clay und ich –«
    »Nein. Ich habe mich das gefragt, aber dafür hättet ihr die Wohnung nicht zu verlassen brauchen. Irgendwas geht hier vor, aber es ist nicht das, was man als Erstes vermuten würde.« Philip machte eine Pause. »Du weißt, dass er in dich verliebt ist, oder?«
    Als ich den Mund öffnete, hob er die Hand.
    »Nicht«, fuhr er fort. »Es macht keinen Unterschied, ob du es weißt oder nicht oder mir zustimmst oder nicht. Es stimmt. Es ist vollkommen offensichtlich, jedes Mal, wenn er dich ansieht oder mit dir redet. Ich weiß nicht, was du für ihn empfindest. Ich kann's einfach nicht sagen. Immer, wenn ich ins Zimmer komme, sehe ich euch beide lachen oder streiten oder beides zugleich. Ich versteh's nicht. Ich verstehe eine ganze Menge Dinge nicht mehr, seit du zurückgekommen bist.«
    »Er geht bald.«
    »Nicht bald. Jetzt. Heute noch.«
    Er drehte sich um und ging ins Schlafzimmer. Ich versuchte noch zu entscheiden, ob ich ihm folgen sollte oder nicht, als er mit einer Hand voll Papiere zurückkam. Er gab sie mir. Ich sah mir das oberste davon an. Es war das Formblatt einer Immobilienfirma mit den Details für ein Haus in Missisauga. Ich ging die anderen Papiere durch und fand drei weitere Angebote für Häuser in den Vorstädten.
    »Ich war am Sonntag nicht auf dem Golfplatz«, sagte er. »Ich habe Häuser angesehen. Für uns.«
    »Du willst in ein Haus ziehen?«
    »Nein, ich – ja, ich will in ein Haus ziehen, aber –« Er zögerte, verschränkte die Arme und öffnete sie wieder. »Ich meine, ich möchte heiraten. Das ist es, was ein Haus für mich bedeutet. Dauerhaftigkeit, Ehe, irgendwann Kinder. Das ganze Drum und Dran. Das ist es, was ich möchte.«
    Ich starrte ihn an. Philip tat einen Schritt auf mich zu, blieb stehen, verschränkte die Arme zum zweiten Mal und öffnete sie wieder, als könne er sich nicht entscheiden, was er mit ihnen tun sollte.
    »Ist das eine solche Überraschung?«, fragte er leise.
    Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nur … plötzlich. Clay und ich haben gestern Abend was getrunken, und ich bin immer noch ein bisschen … ich bin mir nicht sicher, ob ich…«
    »Dann antworte nicht. Lass mir Zeit, einen Ring zu kaufen und es richtig zu machen.«
    Er schob die Hände in die Taschen und stand da mit einem Gesichtsausdruck, als warte er trotz seiner Worte auf eine Antwort. Ich sagte nichts.
    »Geh zur Arbeit«, sagte er. »Überleg's dir.«
    Wir standen uns noch einen verlegenen Augenblick lang gegenüber, dann wandte ich mich ab. Ich ging zur Tür, zögerte, kehrte um und umarmte Philip. Er erwiderte die Umarmung, hielt mich noch eine oder zwei Sekunden lang fest, nachdem ich ihn schon wieder losgelassen hatte. Ich küsste ihn, murmelte etwas davon, dass ich um sieben da sein würde, und entkam.
    Ich fuhr so benebelt zur Arbeit, dass ich mich wunderte, als ich tatsächlich an der richtigen Haltestelle ausstieg. Ich saß schon an meinem Schreibtisch, da fiel mir Clay wieder ein. Er war nicht vor der Wohnungstür gewesen, als ich gegangen war, und ich hatte nicht nach ihm gesucht. Es würde nicht lang dauern, bis er herausfand, dass ich ins Büro gegangen war, und mir folgte. Was sollte ich tun, wenn er auftauchte? Was würde ich sagen? Ich schüttelte die Fragen ab. Ich wollte jetzt nicht an Clay denken.
    Philip hatte mir einen Heiratsantrag gemacht.
    Heirat.
    Der Gedanke erweckte Hoffnungen und Träume wieder zum Leben, von denen ich geglaubt hatte, sie seien vor zehn Jahren gestorben. Ich wusste, dass ich nicht heiraten konnte, aber die Frage hatte sich so lange Zeit nicht gestellt, dass ich vergessen hatte, wie sehr ich es mir gewünscht hatte. Wollte ich es immer noch? Der ziehende Schmerz in meiner Brust beantwortete mir die Frage. Ich sagte mir, dass ich jetzt einfach albern war, altmodisch. Heirat war etwas für Frauen, die wollten, dass jemand anderes sich um sie kümmerte. Das brauchte ich nicht. Ich wollte es nicht. Aber es gab Dinge, die ich wollte. Stabilität. Normalität. Eine Familie. Einen dauerhaften Platz in der menschlichen Welt. Die Ehe konnte mir all das geben. Philip konnte es mir geben. Aber ich konnte nicht heiraten. Oder konnte ich vielleicht doch? Ich hatte so lang mit Philip zusammengelebt. War es möglich, dieses Leben für immer beizubehalten? Ein kleines Stimmchen in meinem Kopf fragte, ob ich für immer mit Philip zusammenbleiben wollte, aber ich brachte es zum Schweigen. Ich liebte Philip. Im Augenblick lautete die Frage

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