Die Nacht der Wölfin
kam Weihnachten. Ich ging davon aus, dass es auch diesmal ohne großen Aufwand vorbeigehen würde, genau wie im letzten Jahr. Stattdessen feierten wir ein vollständiges Fest mit allen Schikanen – Geschenken unterm Baum, farbigen Lichtern, die im Schnee funkelten, und einem Truthahn auf dem Tisch. Das ganze Rudel kam für eine Woche nach Stonehaven, und zum ersten Mal stellte ich fest, wie hektisch, stressig, laut und wundervoll ein Weihnachten im Familienkreis sein konnte. Ich glaubte, dies sei die Art und Weise, wie das Rudel normalerweise Weihnachten beging, dann, wenn es sich nicht gerade mit einer wütenden neuen Werwölfin auseinander setzen musste. Es wurde Januar, bevor ich die Wahrheit herausfand. Clay hatte Kontakt mit Jeremy aufgenommen und ihn gebeten, dies für mich zu tun. Es war sein Weihnachtsgeschenk für mich. Mein Geschenk für ihn war, dass ich Jeremy bat, seine Verbannung aufzuheben.
Seitdem hatten wir jedes Jahr in Stonehaven Weihnachten gefeiert. Das Rudel ging vollkommen auf meinen Wunschtraum ein, ohne mir jemals das Gefühl zu geben, dass sie mir mit alldem lediglich einen Gefallen taten. Ich kann nicht behaupten, dass jedes Weihnachtsfest besonders gelungen gewesen wäre. Manchmal kamen Clay und ich miteinander aus, häufiger taten wir es nicht, aber wir waren immer zusammen. Wenn mein letztes Weihnachten ohne Clay schwer für mich gewesen war, hatte ein Umstand es doch erträglich gemacht: zu wissen, dass er da war, irgendwo dort draußen. Als ich auf den Stapel von Geschenken in seinem Schrank hinunterstarrte, wurde mir klar, dass dies für jeden Tag meines Lebens galt, an jedem Tag des Jahres, nicht nur an Weihnachten. Auf eine gewisse Art gab mir das Wissen, dass Clay da war und auf mich wartete für den Fall, dass ich jemals zurückkehren würde, ein Polster im Leben. Auf eine merkwürdig verdrehte Art war er das Stabilste, Verlässlichste, das ich im Leben hatte. Was ich auch tat, er würde da sein. Und wenn nicht? Der Gedanke erfüllte mich mit einer so eisigen Furcht, dass ich das Gefühl hatte, der Atem gefriere in meinen Lungen. Ich hatte Jeremy am Abend zuvor nicht angelogen. Dies war keine Romanze wie im Märchen, in der die Heldin ihre unsterbliche Liebe für den Helden erkennt, sobald sein Leben in Gefahr ist. Es gab weder Helden noch Heldinnen in dieser Geschichte, und es würde kein Glücklich-bis-an-ihr-Ende-Ende geben, selbst wenn wir Clay zurückholten. Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, mit ihm zu leben, aber ebenso wenig konnte ich mir meine Welt ohne ihn vorstellen. Ich brauchte ihn. Vielleicht war das unvorstellbar egoistisch. Aber es war ehrlich. Ich brauchte Clay, und ich musste ihn zurückholen. Ich sah wieder auf die Geschenke hinunter und wusste, dass ich nicht genug dafür tat.
»Ich gehe nach Bear Valley«, sagte ich.
Es war am Tag darauf. Nick und ich saßen im Garten hinter dem Haus, die Teller mit dem Mittagessen auf dem Schoß. Jeremy und Antonio waren eine Stunde zuvor gegangen. Seitdem hatte ich überlegt, wie ich Nick sagen sollte, was ich plante. Nach einem halben Dutzend fruchtloser Versuche entschied ich mich für die Herausplatzvariante.
»Ich habe Daniel gesagt, ich will mit ihm sprechen«, sagte ich.
»Das hat in dem Brief gestanden?«
Als Antonio und Nick losgezogen waren, um Jeremys letzte Mitteilung an Daniels Postfach zu liefern, hatte ich Nick einen Umschlag mitgegeben, den er Jeremys Brief hinzufügen sollte. Nick hatte bisher nicht nachgefragt, wahrscheinlich weil er es gar nicht so genau wissen wollte.
»Ja«, sagte ich. »Wir treffen uns um zwei.«
»Wie hat er es geschafft, dir das zu sagen?«
»Gar nicht. Ich habe geschrieben, dass ich mich um zwei mit ihm treffen will. Er wird da sein.«
»Und Jeremy ist das recht?«
Ich hörte an Nicks Tonfall, dass er ganz genau wusste, dass ich die Sache Jeremy gegenüber nicht erwähnt hatte. Die Frage war einfach seine Methode, das Thema vorsichtig anzuschneiden. Oder vielleicht hoffte er auch einfach wider besseres Wissen, dass ich die Angelegenheit mit Jeremy besprochen und geplant hatte und dass wir aus irgendeinem Grund beide vergessen hatten, es ihm gegenüber zu erwähnen.
»Ich sitze nicht mehr hier herum«, sagte ich. »Ich kann nicht. Ich hab's versucht, aber ich kann nicht.«
Nick schwang die Beine auf den Boden und saß nun auf der Kante seines Liegestuhls. »Ich weiß, wie schwer das für dich ist, Elena. Ich weiß, wie sehr du ihn liebst –«
»Das ist es
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