Die Nacht des einsamen Träumers.
Übersicht über die Aufgebote zusammengestellt, die Galluzzo ihm gebracht hatte.
Gaetano Palminteri, fünfzig Jahre alt, wollte, in zweiter Ehe, weil verwitwet, die neunzehnjährige Teresa Gamberotto vor den Traualtar führen (»dem sind die Hörner sicher«); Gerlando Cascio, dreißig, wollte die Deutsche Ulrike Roth, achtundzwanzig, heiraten (»anstatt dass er als Emigrant Geld nach Hause bringt, hat er lieber eine ausländische Ehefrau mitgebracht«); Alfonso Serraino, zweiunddreißig, und Filippa Di Stefano, vierzig und verwitwet (»die hat Angst, allein ins Bett zu gehen«); Matteo Interdonato, siebenundsechzig, und Marianna Costa, fünfundsechzig (»siehst du, das Herz altert eben nicht!«); Stefano Capodicasa, dreißig, und Virginia Umile, achtundzwanzig (»Virginia Umile und Capodicasa – wie soll man ohne eine jungfräuliche und demütige Ehefrau auch Hausvorstand sein können?«); Còsimo Pillitteri, fünfundvierzig, Witwer, und Agatina Tuttolomondo, fünfundvierzig (»er ist verwitwet und will wieder heiraten, vielleicht der Kinder wegen«); Salvatore Lumia, dreißig, und Djalma Driss, Tunesierin, achtundzwanzig (»macht einen Haufen Kinder, dann hört dieser blöde Rassismus auf«); Alberto Cacòpardo, neunundzwanzig, mit Giovanna La Rosa, fünfundzwanzig (»nichts dagegen einzuwenden«); Davide Cimarosa, dreißig, mit Donatella Golia (»wie bitte? Anstatt Goliath umzubringen, heiratet David ihn?«).
Die Liste war fertig, und der Commissario schämte sich, dass er die Trauungen mit so bescheuerten Kommentaren bedacht hatte. Zwei Fälle in dieser Liste fielen auf: der des fünfzigjährigen Palminteri, der eine einunddreißig Jahre jüngere Frau heiratete, und der Fall der Witwe Di Stefano, die sich einen acht Jahre jüngeren Mann nahm. »Meine Güte, Salvo, bist du verknöchert!«, platzte Mimi Augello heraus, als Montalbano ihm das Ergebnis der Untersuchung mitteilte. »Wer sagt denn, dass eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau mit einem gewissen Altersunterschied unbedingt schief gehen muss oder dass sich wer weiß was dahinter verbirgt? Und warum nimmst du diese Geschichte mit dem Schaukasten überhaupt so wichtig?«
»Weil ein Erwachsener ihn nicht ohne ein bestimmtes Motiv verschwinden lässt.«
»Schon, aber Signor Crisafulli hat dir doch erklärt, dass das im Grunde keine wirklichen Konsequenzen hat!«
»Du musst die Sache aus einem anderen Blickwinkel sehen, Mimi. Wer den Schaukasten hat verschwinden lassen, wollte damit meines Erachtens etwas signalisieren.«
»Allen neun Brautpaaren?«
»Nein, nur einem. Oder auch nur ihm oder nur ihr. Aber wenn er die Glasscheibe eingeschlagen und das einzige Aufgebot mitgenommen hätte, um das es ihm ging, wäre es für uns einfacher gewesen, sein Motiv festzustellen, als hätte er seine Visitenkarte dagelassen. Also musste er den ganzen Schaukasten mitnehmen.«
»Und was wollte er damit signalisieren?«
»Es ist die sizilianische Übersetzung eines Satzes aus Manzonis Promessi Sposi, Die Brautleute. Hast du das Buch mal gelesen?«
»In der Schule, das hat mir gereicht«, sagte Mimi und sah ihn begriffsstutzig an. »Welcher Satz soll das denn sein?«
»Diese Trauung wird nicht stattfinden.«
Aber welche der neun? Das war der Haken. Einfach um eine Logik in seine Nachforschungen zu bringen, beschloss er, sich nach der chronologischen Reihenfolge der Termine zu richten, also bei den Trauungen zu beginnen, die unmittelbar gefährdet waren, falls überhaupt eine Gefahr bestand. Er rief Fazio, Gallo und Galluzzo zu sich. »Ihr habt vier Tage Zeit. Dann will ich alles über diese ersten sechs Personen wissen, die heiraten wollen.« Er gab ihnen die Aufgebote.
»Jeder nimmt sich ein Brautpaar vor. Sucht es euch selber aus.«
»Aber was genau wollen Sie denn wissen?«, fragte Fazio im Namen der anderen.
»Wer sie sind. Ob sie irgendwie schon mal auffällig geworden sind. Warum sie heiraten. Was man in der Stadt über jeden Einzelnen von ihnen und die Hochzeit sagt. Ich will alles wissen, auch Tratsch, auch ob sie Scharlach hatten.« Als Mimi Augello das hörte, grinste er spöttisch. Aha, dachte er, er will also wissen, aus welchem Grund jemand heiratet. Dann schafft er das mit Livia vielleicht auch noch. Aber er hütete sich, es Montalbano zu sagen.
Vier Tage darauf war Galluzzo der Erste, der ihm das Ergebnis seiner Nachforschungen mitteilte. »Lieber Dottore, was soll ich Ihnen sagen? Mir kommt das
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