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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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bürokratisch klingt. Aber dieser verflixte Fall hier raubt mir meine ganze Zeit.

      Wie gern wäre ich bei dir in Boccadasse und hielte dich im Arm. Wie geht es Francescas Eltern? Es ist ein Uhr nachts, ich sitze auf der Veranda, der Mond scheint, und das Meer ist spiegelglatt. Ich glaube, ich gehe noch baden.
    Ich küsse dich, in Liebe
    Salvo

    Boccadasse, 13. Juli

    Liebster Salvo, wie du bestimmt schon aus dem Fernsehen und der Zeitung weißt, hast du ins Schwarze getroffen. Giorgio war mittlerweile zu dem gleichen Ergebnis gekommen wie du. Der Mörder ist Giovanni De Paulis, Verwaltungsdirektor des Instituts. Über jeden Verdacht erhaben, pedantisch, autoritär. Jetzt erinnere ich mich: Francesca sagte, dass er mit Spitznamen »der strenge Giovanni« heißt. Sein Partner an diesem tragischen Tag war ein in der Szene bekannter junger Mann. Er ist untergetaucht, aber Giorgio meint, es sei eine Frage von Stunden, bis sie ihn haben. Ich bin sehr traurig, mein lieber Salvo, sehr traurig, weil meine Freundin von der Hand eines Idioten und im Zusammenhang mit einer so widerwärtigen Geschichte gestorben ist. Übrigens war Francesca bekannt für ihre äußerste Diskretion, nie hätte sie ein Wort über die sexuelle Neigung des Verwaltungsdirektors verloren. Francescas Mamma geht es ein wenig besser.
    Doch spüre jetzt ich die Spannung dieser schrecklichen Tage.
      Zum Glück hat Giorgio sich um mich gekümmert und alles versucht, mir diese Zeit leichter zu machen.
    Kannst du wirklich nicht kommen?

    Ich küsse und ich liebe dich
    Lima

       Giorgio? Wie bitte, sie nennt ihn Giorgio?! Bis vorgestern war er Commissario Ligorio, und jetzt duzt sie ihn? Scheiße! Und was soll das heißen, dass er sie tröstet?

    HABE DICH TELEFONISCH NICHT ERREICHT

    HABE HIESIGEN FALL BRILLANT GELÖST
    BIN MORGEN 14 UHR AM FLUGHAFEN GENUA

    KÜSSE
    SALVO

Manzoni auf Sizilianisch

      »Dottore, alle Ehen sind geplatzt!«, rief Catarellas aufgeregte Stimme am Telefon.
      Montalbano sah benommen auf den Wecker, es war sieben Uhr morgens. Er hatte eine Nacht voller schrecklicher Albträume hinter sich (unter anderem wurde er in einer Art hausgemachtem Star Trek zum Chef der interplanetarischen Polizei befördert), nachdem er am Abend vorher hemmungslos gefüllte Sardinen gefuttert hatte, und daher konnte man nicht behaupten, dass er in Hochform war. Er hatte nichts verstanden von dem, was Catarella gesagt hatte, und der war verunsichert, weil sein Chef schwieg.
    »Dottore, was ist, sind Sie weg?«
      »Nein, Catarè, ich bin da. Drück dich ein bisschen klarer aus.«
      »Noch klarer? Wenn Sie wollen, sag ich jedes Wort noch mal: Alle Ehen...«
      »Schon gut, Catarè. Ruf Dottor Augello oder Fazio an, und erzähl es denen. Wir sehen uns später.« Er legte auf, aber mit Schlafen war es endgültig vorbei. Er stand auf und sah aus dem Fenster. Ein schöner Tag, wie sich's gehörte. Er schlüpfte in die Badehose, verließ das Haus über die Veranda, schlenderte über den Strand und ging ins Wasser. Er fiel fast in Ohnmacht, es war eiskalt. Aber es machte seinen Kopf klar.

      Gegen Mittag fiel ihm Catarellas rätselhafter Anruf wieder ein, und er wurde neugierig. Er rief Mimi Augello zu sich. »Mimi, weißt du was von Ehen, die den Bach runtergehen?«
    »Wieso, du etwa nicht? Es vergeht doch kein Tag, ohne dass sich ein Paar, das wir kennen, trennt. Erinnerst du dich an...«
      »Mimi, das meine ich nicht. Weißt du, warum Catarella mich heute Morgen angerufen hat? Ich hab kein Wort verstanden.«
    »Mit mir hat Catarella nicht geredet. Ich schick dir Fazio.«

    »Fazio, hat Catarella dich heute Morgen zufallig angerufen?«
    » Sissi , Dottore. Eine Bagatelle.«
    »Daran hatte ich keinen Zweifel. Erzähl.«
      »Als Signor Crisafulli, der im Einwohnermeldeamt arbeitet, heute früh vom Einkaufen nach Hause kam, hat er gesehen, dass der Schaukasten neben dem Eingang zum Rathaus weg war.«
      »Ja und? Wahrscheinlich hat ihn irgendein Angestellter abgenommen.«
      »Nonsi, Dottore, es geht um den Schaukasten mit den Aufgeboten. Die müssen für die gesetzlich vorgeschriebene Zeitdauer durchgehend angeschlagen sein, Tag und Nacht.«
    »Erklär mir das.«

      »Dottore, wenn zwei heiraten wollen, gehen sie ins Rathaus, und der Standesbeamte stellt eine Art Dokument aus, das man Aufgebot nennt, und hängt es in den Schaukasten. So weiß jeder von der Trauung, und wenn etwas dagegenspricht, kann man das rechtzeitig sagen.

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