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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hereinkam.
       »Mi scusasse, Entschuldigung, Dottore, mir ist die Hand ausgerutscht.«

      Das übliche Ritual. Der Commissario wusste genau, dass früher oder später irgendeine Zeitung titeln würde: COMMISSARIO SALVO MONTALBANO ERSCHIESST EINEN SEINER BEAMTEN.
      »Ah Dottore, Dottore! Der Herr Bürgermeister Tortorigi hat angerufen. Er ruft um Hilfe! Er hat gesagt, dass im Rathaus ein Aufstand ist!«
    Montalbano fuhr, gefolgt von Fazio, schnell hin. Als er ankam, bearbeitete ein etwa fünfzigjähriger Mann, der außer sich war vor Wut und von einigen hilfsbereiten Leuten vergeblich zurückgehalten wurde, mit Füßen und Fäusten eine Tür, die mit einem Schildchen versehen war:
    BÜRO DES BÜRGERMEISTERS.
      »Kennst du den?«, fragte Montalbano Fazio. »Sissi. Das ist Signor Briguccio.« Montalbano trat vor.

    »Beruhigen Sie sich erst mal, Signor Briguccio.«
    »Wer sind Sie denn?«

    »Ich bin Commissario Montalbano.«
      »Und wer hat Sie gerufen? Der Bürgermeister? Dieses Arschloch von Bürgermeister?«

      »Sasà«, sagte einer von den Leuten, »der Signor Commissario hat Recht. Beruhig dich erst mal.«

      »Ich will dich mal sehen, wenn jemand in aller Öffentlichkeit schreibt, dass deine Frau eine Hure ist!«
      »Sasà«, fuhr der Mann fort, »wer sagt denn, dass dieses ›H‹ unbedingt Hure heißen muss?«
    »Ach ja? Und was heißt es deiner Meinung nach?«

    »Keine Ahnung. Hochstaplerin zum Beispiel.«
      »Oder Heldin, nur zum Beispiel«, mischte sich ein zweiter hilfsbereiter Mann ein. Die beiden Interpretationen brachten Signor Briguccio, und zu Recht, noch mehr in Rage; er entwandt sich denen, die ihn festhielten, und versetzte der Tür zwei kräftige Fußtritte.
      »Schaff ihn fort«, befahl Montalbano Fazio. Mit Hilfe der Leute schleifte Fazio Signor Briguccio in ein Zimmer. Als wieder Ruhe eingekehrt war, klopfte der Commissario taktvoll. »Hier ist Montalbano.«

    »Augenblick.«
      Der Schlüssel wurde herumgedreht, die Tür ging auf. Beim Bürgermeister befand sich ein kleiner, dicker Glatzkopf um die sechzig, der sich verbeugte.
    »Der Zweite Bürgermeister, Vicesindaco Guarnotta«, stellte Tortorici ihn vor.
      »Was will Signor Briguccio von Ihnen?« Der Bürgermeister, ebenfalls um die sechzig, sehr hager und mit einem komischen Tatarenbärtchen, breitete betrübt die Arme aus.

      »Ach, Commissario, das ist eine lange Geschichte, die sich schon seit dreißig Jahren hinzieht. Briguccio, ich und der hier anwesende Dottor Guarnotta waren gemeinsam in jener alten, ruhmreichen Partei aktiv, die für die Freiheit in unserem Lande einstand. Wir wissen ja, was dann geschehen ist, aber wir drei fanden uns alle in der neuen, der erneuerten Partei wieder. Jedoch hatten ich und Dottor Guarnotta aufgrund dieses verfluchten Spiels der Strömungen stets bestimmte Überzeugungen, die Briguccio nicht teilte. Sehen Sie, Commissario, als De Gasperi...« Montalbano hatte überhaupt keine Lust, sich auf eine politische Diskussion einzulassen. »Entschuldigen Sie, Sindaco, ich wiederhole meine Frage: Warum ist Briguccio wütend auf Sie?«
      »Ach... was soll ich Ihnen sagen. Er versucht die Tatsache, dass er öffentlich als gehörnter Ehemann bezeichnet wurde – denn das bedeutet die Frage der Volksabstimmung im Grunde –, in ein politisches Problem umzumünzen. Mit anderen Worten, er behauptet, dass wir, ich und Dottor Guarnotta, hinter diesem Plakat stecken.« Selbiger Dottor Guarnotta blickte den Commissario an und verbeugte sich leicht.

    »Aber was will er von Ihnen, außer seine Wut abreagieren?«
    »Dass ich die Plakate entfernen lasse.«

      »Und wir haben ihn dahingehend beruhigt«, mischte sich Dottor Guarnotta ein. »Wir wiesen ihn darauf hin, dass wir das auch ohne seine, wie soll ich sagen, stürmische Forderung getan hätten: Für das Anschlagen dieser Plakate wurde nämlich keine Gebühr entrichtet.«

    »Ja und?«
    »Wir haben Briguccio jedoch erklärt, worin das Problem liegt. Und da ist er ausgerastet.«
    »Und welches Problem ist das?«
      »Derzeit haben wir nur acht Polizisten im Dienst. Sie sind vollauf damit beschäftigt, ihre normalen Aufgaben zu erledigen. Wir haben ihm zugesichert, dass die Plakate spätestens in einer Woche entfernt werden. Da hat er uns, ohne jeden Grund, angegriffen.«
      Brillante Politiker der alten und hohen Schule waren sie, der Bürgermeister Tortorici und der Zweite Bürgermeister Guarnotta.
      »Kurz und gut,

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