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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Leben sank sie in Ohnmacht.

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    14
    J ordan kam wieder zu sich. Erschrocken schlug sie die Augen auf. Der Mann von letzter Nacht saß ihr gegenüber und sah sie an.
    Anscheinend lehnte sie seitlich in einem teuren Lederschaukelstuhl. Nein. Dem knarrenden Wiegen des Sitzes nach zu urteilen, musste sie sich in einer Art Gefährt befinden. Einer Kutsche. Aber sie brachte den Elan nicht auf, sich zu erkundigen, wohin sie fuhren.
    Raine öffnete eine silberne Taschenflasche, in die seine Initialen graviert waren, und reichte sie ihr. »Hier. Trinkt!«
    Als sie nach der Flasche griff, rutschte ihr Mieder herunter und fiel nach vorn. Mit einer Hand drückte sie es an ihren Busen, um sich einigermaßen zu bedecken.
    »Ich habe es gelockert«, erklärte Raine vollkommen sachlich.
    »Zum Glück für Euch bin ich zu erschöpft, als dass es mich kümmern könnte.« Mit ihrer freien Hand nahm sie ihm die Flasche ab und setzte sie an ihre Lippen. Sie enthielt eine alkoholische Flüssigkeit. Wein. Nachdem Jordan mehrere Schlucke davon getrunken hatte, wischte sie sich ihren Mund mit dem Handrücken ab. Sie hustete oder prustete nicht, wie es eine Dame vielleicht getan hätte, die nicht an solche Getränke gewöhnt war.
    Was ihrem Begleiter nicht entging. Doch ihn bekümmerten derzeit andere Dinge. Während die Frau ihm gegenüber geschlafen hatte, fühlte er die Magie, die sie umgab: Anderweltmagie. Sie füllte das Kutscheninnere und verblüffte Raine mit ihrer Kraft. Offenbar war er nicht der Einzige, der die zweite Feentochter gefunden hatte. Feydons Verwandte hatten sie ebenfalls aufgespürt.
    Jordan strich sich zitternd die klammen Haarsträhnen aus der Stirn. Ihre Schläfen pochten, und sie fühlte sich furchtbar. Als sie noch einen Schluck aus der silbernen Flasche nahm, merkte sie, wie ihr Mieder weiter aufklaffte.
    »Macht dieses verfluchte Ding wieder fester!«, wies sie Raine an und wandte ihm ihren Rücken zu. »Eure private Nacktvorführung ist zu Ende. Mich friert.«
    »Dann nehmt meinen Gehrock«, erwiderte er, zog sich besagtes Kleidungsstück aus und legte es ihr über die Schultern.
    Ohne ihm zu danken, zurrte sie die Seiten vor ihrer Brust zusammen und schmiegte sich in seine Wärme, die dem Gehrock noch anhaftete. Kaum stieß sie einen tiefen Seufzer aus, holte sie alles wieder ein.
    Die Taube aus ihrem Traum war ein Symbol für ihre Mutter. Für Celia Cietta, die so unglaublich lebensfroh gewesen und nun tot war.
    Jordan trank abermals aus der Flasche.
    Wortlos nahm Raine sie ihr ab und reichte ihr ein Taschentuch. Erst als sie es nahm und damit ihre Wange berührte, bemerkte sie, dass sie weinte.
    Als Nächstes kämen die vier blauen Strümpfe, wie sie wusste, und schließlich die Schlange – eine glänzende kohlschwarze Viper, die sie hypnotisierte – nicht mit ihren Augen, sondern mit ihrer Stimme. Und Jordans Traum hatte ihr prophezeit, dass sie sich wehren würde, noch während sie in die Zauberstarre verfiel, denn sie ahnte, dass die Schlange zuschlagen würde, sobald sie gelähmt war.
    Sie versuchte gar nicht erst, den Rest dieser Träume zu entschlüsseln, denn aus Erfahrung hatte sie gelernt, dass es unmöglich war. Die Bedeutungen der Symbole erschlossen sich ihr mit der Zeit. Das taten sie immer. Ohnehin konnte sie nichts davon abhalten, Wirklichkeit zu werden. Jordan blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, vollkommen wehrlos.
    Sie blickte zu Raine und sah, dass er sie beobachtete. Rasch senkte sie ihren Blick auf das Taschentuch, das sie unentwegt in ihren Händen knüllte und entknüllte. »Hört auf, mich anzuschauen, als wäre ich ein Insekt auf einer Stecknadel!«
    Sein Blick blieb unbeirrt.
    Jordan rollte die Schultern und versuchte, ihre finstere Stimmung zu vertreiben. »Verzeiht! Ich bin stets unleidlich, wenn ich aufwache und mich in einer fremden Kutsche mit einem Herren wiederfinde, den ich nicht einmal einen Tag kenne. Wie lange war ich …?«
    »Beinahe vier Stunden.«
    Vier Stunden!
    »Ihr habt geträumt«, ließ er sie wissen.
    Sie erstarrte. »Ach ja?«
    »Ihr spracht im Schlaf.«
    »Oh.« Das war unerfreulich. »Und was genau sagte ich?«
    »Entsinnt Ihr Euch nicht?« Diese Frage stellte er in der Anderweltsprache – derselben Sprache, die sie in ihrem ruhelosen Schlummer gemurmelt hatte.
    Sie neigte ihren Kopf zur Seite, weil sie versuchte, die flüchtige Erinnerung einzufangen, die seine Worte weckten. Aber sie entglitt ihr, und sie konnte sie nicht lange genug

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