Die Nacht des Satyrs
Plappern, und sichtlich fasziniert von ihrem Aussehen.
Raine legte einen Arm um sie, damit keine Missverständnisse aufkamen, zu wem sie gehörte, und sie lehnte sich an ihn. Das schwache Parfum Feys stieg ihm in die Nase, und ein Kribbeln erfüllte ihn, weil er ihr nah sein durfte. Ja, er empfand sogar eine gewisse Freude.
Für wenige Momente schwiegen sie beide, doch war Raine sicher, dass sie die Stille nicht lange aushalten würde.
»Weibliche Kleidung ist unanständig, nicht wahr?«, fragte sie schließlich, um ein Thema aufzuwerfen.
Er stutzte. »Wie ich sehe, seid Ihr in belanglos höflicher Konversation noch schlechter als ich.«
Sie ignorierte seine Neckerei und wies zu einer Gruppe Feiernder, die gerade an ihnen vorbeigegangen war. »Diese Herren haben mich angestarrt – meinen Busen, um genau zu sein. Habt Ihr es nicht bemerkt?« Der Anschaulichkeit halber legte sie ihre Hand auf die fragliche Körperregion.
Raine lachte leise. »Oh ja, ich bemerkte es! Ihr solltet indessen vorgeben, es nicht zu tun.«
»Wie denn? Ich soll meinen Busen zeigen und so tun, als würde ich nicht wahrnehmen, dass die Herren ihn angaffen?« Sie seufzte. »Vermutlich ist alles bloß ein Versuch, einen Ehemann anzulocken. Aber da ich keinen erobern möchte, scheint es mir unfair, meine Reize derart offen zur Schau zu stellen. Ich finde, Frauen sollten sich in einer Weise kleiden, die eindeutig zeigt, ob sie auf Aufmerksamkeiten erpicht sind oder nicht – etwa nach dem Prinzip: Je mehr Busen eine Dame zeigt, umso interessierter ist sie, einen Verehrer zu gewinnen.«
»Erinnert mich daran, Euch niemals in die Schneiderzunft zu empfehlen«, entgegnete Raine trocken.
»Aber …«
»Ah!«, unterbrach er sie. »Euer Wunsch geht in Erfüllung. Mein ältester Bruder ist angekommen – mit seiner Gemahlin.«
»Wo?« Jordan schaute sich um. »Ich sehe sie nicht.«
»Ich versichere Euch, sie sind fast bei uns.«
Tatsächlich erschien Nick mit einer hübschen blonden Frau am Ende des Weges.
»Wie macht Ihr das?«, staunte Jordan. »Warum wisst Ihr, dass Leute kommen, bevor Ihr sie seht?«
»Es ist eine Gabe«, erklärte er schmunzelnd.
»Welch seltener Anblick! Raine, der sich in Damengesellschaft amüsiert«, murmelte Jane Nick zu, als sie sich dem Paar näherten.
Nick legte seine Hand auf ihre in seiner Ellbogenbeuge, und sah zu seinem Bruder. »Ja, und es lässt für die Zukunft hoffen.«
Kaum hatten die vier sich begrüßt und gegenseitig vorgestellt, blickte Nick seinen jüngeren Bruder prüfend an. Raine wusste, welche Frage Nick durch den Kopf ging, und um ihn zufriedenzustellen, wandte er sich an Jordan: »Wollt Ihr mich heiraten?«
»Was?!« Verlegen blickte sie zu Nick und Jane, dann wieder zu Raine. »Was für ein Unsinn! Ihr seid lediglich geblendet, weil Ihr heute Morgen so viel von meinem Busen seht. Aber das geht vorbei, glaubt mir, und dann werdet Ihr bereuen, mir diese Frage gestellt zu haben.«
Nick und Jane brachen in Gelächter aus.
»Da siehst du es, großer Bruder«, sagte Raine mit übertriebener Leidensmiene. »Ich habe offiziell um ihre Hand angehalten, und sie lehnt ab.«
Jordan sah ihn stirnrunzelnd an und fragte sich, ob man einen seltsamen Spaß mit ihr trieb.
»Am besten achtet Ihr gar nicht auf die Neckereien der beiden«, mischte Jane sich ein und neigte sich ein wenig zu Jordan. »Lasst mich Euch sagen, wie entzückt ich bin, Eure Bekanntschaft zu machen. Es ist herrlich, dass noch eine weitere Frau auf dem Anwesen lebt. Wir sind leider in der Minderheit, folglich freuen wir uns über Verstärkung.«
Jane hatte warme, freundliche Augen, wie Jordan feststellte. Vor allem aber hatte sie das merkwürdige Gefühl, Jane bereits zu kennen.
»Meine Gemahlin konnte es gar nicht erwarten, Euch kennenzulernen«, meldete Nick sich zu Wort, als sie sich aufmachten, gemeinsam an den Marktständen entlangzuschlendern. »Seit dem Morgengrauen ist sie bereits auf den Beinen und ganz aufgeregt.«
Während sie gingen, fiel Jordan auf, dass sie Jane davonzueilen drohte, weil sie ungleich größere Schritte machte. Als sie ihr Tempo drosselte, überlegte sie, dass sie wohl einiges über damenhaftes Betragen von Nicks Frau lernen konnte. Jedenfalls beschloss sie, Jane heute sorgfältig zu beobachten und sich ein paar Dinge bei ihr abzuschauen.
Raine und Nick suchten Weingläser für sie alle aus, die auf einem langen Tisch ausgestellt waren. Dort hinein würden die Winzer, die für ihre Weine
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