Die Nacht des Satyrs
diese eine Nacht!«
Unter ihren Fingern bewegten seine Muskeln sich hektisch. War das Widerwillen oder Vorfreude?
»Ich habe dir Freiheiten gewährt, als ich noch nicht sicher war, ob ich es genießen würde«, erinnerte sie ihn. »Aber ich habe sie am Ende genossen. Woher kann man wissen, ob etwas Neues erfüllend sein kann oder nicht, solange man es nicht ausprobiert?«
Ein zynisches Lächeln trat auf seine Züge. »Ich zerstöre ungern deine Phantasie, aber diese Situation ist mir keineswegs neu.«
Jordan war unsicher. »Andere Frauen haben dich gefesselt?«
Arrogant lüpfte er eine Braue, sichtlich erfreut ob ihrer Enttäuschung. »Soll ich dir erzählen, welche köstlichen und perversen Handlungen sie an mir vornahmen, während ich ihnen hilflos ausgeliefert war?«
Nun begriff sie, dass er sie absichtlich unsicher machte, damit sie ihren Plan aufgab.
Doch statt ihn loszubinden, beugte sie sich näher zu ihm und kämmte ihm mit ihren Fingern das Haar an seinen Schläfen. »Ja, erzähl mir alles, was sie getan haben!«, antwortete sie. »Ich will dich schließlich nicht langweilen, indem ich etwas davon wiederhole. Es wäre mir nämlich gar nicht recht, wenn du einschläfst, bevor du mich hinreichend befriedigt hast – nicht nach all der Mühe, die ich mir gegeben habe. Ich musste dir deine Kleidung übrigens vom Leib schneiden. Und deine Arme und Beine in die richtige Stellung zu bringen, war ziemlich anstrengend.«
Raine knurrte frustriert und riss noch erbitterter an seinen Fesseln.
Also ging Jordan ein wenig auf Abstand und gab sich betont ruhig, während sie seinem Kampf gegen die Lederbänder zuschaute.
»Wo in Bacchus’ Namen hast du solche Knoten gelernt?«, fragte er zornig.
Bei den Anlegestellen in Venedig, als ich ein Junge war und mich mit anderen Jungen zusammen auf den Straßen herumtrieb
, dachte sie. Aber er wusste nichts über diesen Teil ihres Lebens, und sie wollte, dass es so blieb.
»Wie ich dir bereits erzählt habe, lebte ich auf der Straße. Dort habe ich eine Menge nützlicher Dinge gelernt, die man wahre Damen nie lehrt.«
Er ballte beide Fäuste und zurrte ein letztes Mal kräftig an den Fesseln, die jedoch nicht nachgaben. Offenbar sah er ein, dass es sinnlos war, sich gegen sie zu wehren, und drehte sein Gesicht zur Wand.
»Soll ich dir beschreiben, wie ich dich entkleidet habe?« Sie saß wieder neben ihm und massierte ihm sanft den Hüftknochen.
Er gab vor, sie nicht zu beachten, aber sie hörte, dass es ihn nicht kalt ließ, an der Art, wie seine Atmung sich veränderte. Sie fühlte es an den Muskeln, die sich wölbten, an der Anspannung in ihm. Und sie sah es daran, wie sein Phallus anschwoll.
Lange stille Minuten vergingen, die ihre Entschlossenheit auf die Probe stellten. Seine unnachgiebige Selbstbeherrschung strangulierte ihn beinahe, doch das wollte er anscheinend nicht einsehen. Bald schon würde Jordan ihn verlassen. Aber ehe sie es tat, wollte sie ihm dieses Geschenk machen: die Einsicht, dass er die Kontrolle hier und da aufgeben konnte und dass die Welt deshalb nicht gleich aus den Fugen geriet.
Sie blieb eisern. »Schmollst du?«, fragte sie süßlich.
Als er nicht antwortete, fühlte sie sich für einen Sekundenbruchteil entmutigt. Wenn er vorher schon von anderen Frauen gefesselt worden war, ohne in der Folge seine Abscheu vor Schwäche zu überwinden, was hoffte sie dann eigentlich, beweisen zu können? Ihre Schultern sackten ein, und tatsächlich dachte sie ganz kurz daran, ihn loszubinden … bis ihr eine Idee kam.
»Während dieser Begegnungen«, überlegte sie laut, »stelle ich mir vor, dass du vorher sichergestellt hast, nicht länger angebunden zu sein, als du willst. Deine bezahlten Gefährtinnen hätten nicht gewagt, sich zu weigern, als du sie aufgefordert hast, dich loszubinden. Somit hast du zu jeder Zeit gewusst, dass letztlich du allein bestimmst.«
Jetzt sah er sie tatsächlich an, und seine Augen waren brodelnd silbern.
»Insofern wird dies doch noch eine neue Erfahrung für dich!«, verkündete sie mit neuer Zuversicht. »Gegen deinen Willen gefesselt zu sein.«
»Bei Bacchus, Frau, binde mich los!«
»Nein – jedenfalls noch nicht.«
»Verdammt!«, zürnte er. »Dann mach schon, was du willst! Tu einfach, was du geplant hast, damit dieses Spiel schnell ein Ende hat!«
»Na schön.« Sie raffte all ihren Mut und ihre Entschlossenheit zusammen und kniete sich rittlings auf ihn. Ohne die Augen von seinen abzuwenden, begann
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