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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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seine spitze Nase und guckte bedeutungsvoll. «Man spürt es nun nicht mehr, das Fenster steht geraume Zeit offen, um die unguten Dämpfe hinauszulassen. Das war wohl unbedacht, so könnt Ihr es nicht mehr selbst prüfen. Ich habe gleich nach Euch geschickt, weil ich etwas gerochen habe, nämlich – nun ich bin nicht ganz sicher, das kann man nicht sein, da sind ja viele Gerüche. Auch vom Erbrochenen und von der Stube, von der kalten Asche, dennoch, ich habe eine besonders feine Nase, ja, die habe ich.»
    Wagner klopfte ungeduldig mit der Stiefelspitze auf die Dielen. «Feine Nase, aha. Und? Was hat sie nun gerochen, Eure feine Nase?»
    «Oh, pardon, natürlich, ja. Was ich sagen wollte: Ich habe Laudanum gerochen. Ich glaube Laudanum. Opiumtinktur. Ich bin fast sicher. Obwohl – es war nur ein Hauch.»
    «Laudanum. Hm. Liegt einer, der zu viel davon geschluckt hat, nicht friedlich in seinem Bett oder wo immer er das Fläschchen geleert hat, weil er vom Schlaf in die Ewigkeit gegangen ist? Was sollte ihn mit verzerrtem Gesicht über den Boden kriechen lassen?»
    Friedrich Reuther rieb sich das Kinn, wie so oft, wenn er ohne Aussicht auf eine befriedigende Antwort überlegte.
    «Falls er es doch selbst geschluckt hat, ist er aufgewacht und wollte sich doch noch retten. Mit der Lebensmüdigkeit ist das ja so eine Sache, Weddemeister, die ist gar nicht verlässlich. Sie kommt und geht, und wenn sie just geht, nachdem man das Fläschchen geleert hat – tja.»
    Er blickte sich suchend um, Wagner verstand sofort und machte sich seinerseits auf die Suche. Weder beim Bett noch im Vorraum, auch nicht in den Rocktaschen des Toten fand sich ein Fläschchen oder sonst ein Behältnis, in dem man eine unbekömmliche Substanz aufbewahren könnte, ob Flüssigkeit oder Pulver. Und jetzt stellte Wagner auch fest, dass es bei Momme Drifting sehr ordentlich aussah, eigentlich zu ordentlich für einen Junggesellen, selbst wenn dessen Besitz kärglich war. Andererseits musste ein Apotheker gewiss penibel sein.
    «Setzt Euch», befahl er, und als Reuther ihn nur verdutzt ansah, noch einmal: «Setzt Euch. Am besten vorne an den Tisch. Ich will mich umsehen, und Ihr sollt hier sitzen bleiben, bis ich fertig bin. Falls jemand die Tür öffnet oder es versucht, gebt mir gleich Bescheid. Es soll noch niemand herein.»
    Wagner brauchte nicht lange. Momme Drifting besaß stolze fünf Hemden, einen zweiten Rock, zwei Westen, weitere zwei Paar Hosen, außer den Stiefeln im Vorraum neben dem Holzkorb je ein Paar Holzpantinen und Lederschuhe. Er besaß auch einige Schnupftücher, drei Halsbinden, Alltägliches wie Seife und Puder, einen Kamm. Tinte und Federn, Federmesserchen und Streusandbüchse, in einem flachen Karton einige Bögen Papier. Eine Perücke stand auf ihrem Ständer in der Kammer. Wagner vermisste Bett- und Tischwäsche, Handtücher, die bekam er sicher von Leubold. Eine Kassette mit Münzen und eine den Taufschein und einige andere gesiegelte oder gestempelte Papiere enthaltende Mappe lag unten in der Truhe neben dem Bett, er wunderte sich flüchtig, dass die nicht verschlossen war, darüber würde er später nachdenken. In der Truhe fand er auch eine Bibel und ein von fleißigem Gebrauch zeugendes Pflanzenbuch, beide zum Schutz gegen Staub und Feuchtigkeit in ein Tuch eingeschlagen, auf dem Deckel lag ein Roman, was Wagner ebenfalls wunderte, gleichwohl belanglos erschien. In der Truhe wenigstens hatte er die übliche Unordnung gefunden, die er auch von seiner kannte. So eine Truhe war eben ein praktisches Ding.
    Auf den beiden Brettern an der Wand neben dem Ofen zwei Teller, drei Steingutbecher, hübsch bemalt, Messer, Löffel, eine Gabel, zwei Gläser, auf dem Ofen ein Topf mit Wasser, ein zweiter, kleinerer stand leer und mit staubigem Deckel daneben. Das alles erinnerte Wagner an die beiden zugigen Kämmerchen, in denen er möglichst nur die Nächte verbracht hatte, bevor er mit Karla in die behaglichere kleine Wohnung am Plan gezogen war.
    Unter dem Waschtisch beim Ofen lag noch ein Stück Papier. Es war nur eine halbe Seite aus dem Hamburgischen Correspondenten , von welchem Tag, war nicht zu sehen. Wagner trat ans Fenster und überflog sie, es war ein Stück der letzten Seite mit den Kleinanzeigen. Zum ersten Mal, seit der rotznasige Knirps in seiner Amtsstube aufgetaucht war und gerufen hatte, in der Apotheke beim Opernhof sei etwas Schreckliches passiert, er müsse sofort kommen, lächelte er.
    Da pries ein Herr Thomas

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