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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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und Nachbarinnen, Geschäftigkeiten in der Küche. Er hörte nichts.
    Dieses Haus gehörte einer recht gut situierten Familie, stellte er im Umsehen fest. Die Diele war nach Tradition der Kaufleute mit großen Fliesen schwarzweiß ausgelegt, zu den oberen Stockwerken führte eine Treppe mit einem hübsch geschwungenen und am Handlauf geschnitzten Geländer, alles aus solidem poliertem Holz, auch der fast bis zur Decke reichende Dielenschrank und die Truhe an der Wand gegenüber konnten sich sehen lassen.
    Wagner hüstelte, räusperte sich vernehmlich, immer noch rührte sich nichts. So drückte er behutsam eine nur angelehnte Tür auf und blickte in den Ladenraum und durch eine weit geöffnete doppelflügelige Tür direkt in die anschließende Backstube. Auch dort war niemand, aber alles stand zur Arbeit bereit. Weiter hinten der Raum war wie ein großes L geformt und erstreckte sich bis zu einem bescheidenen, an einen Graben stoßenden Hof –, dort vermutete Wagner den Backofen, vielleicht auch eine Darre zum Trocknen der Früchte, denn von dort spürte er Wärme. Der Ofen war sicher längst eingeheizt, bevor die Nachricht vom Tod des Hausherrn den gewöhnlichen Tagesablauf unterbrochen hatte. Der Blick in die Backstube minderte Wagners Hunger nicht, die hier herrschende Sauberkeit, auch die Ordnung, dazu der Duft aus den schon geöffneten Säcken, Tüten und hölzernen Dosen und Schachteln voller Zutaten steigerten im Gegenteil seinen Appetit. Auch ein leichter Hauch nach gerösteten Kakaobohnen lag in der Luft, Wagner schnupperte sehnsüchtig.
    «Was macht Ihr hier?» Die strenge Stimme ließ ihn zusammenfahren wie ein ertappter Dieb. Und genau so fühlte er sich, was für einen Weddemeister absolut unpassend war, aber leider immer wieder vorkam. «Und wie seid Ihr reingekommen? Nein, ich will’s gar nicht wissen, geht einfach weg. Hier ist heute zu. Geschlossen. Trauerfall in der Familie. Und sagt nicht, Ihr habt das noch nicht gehört. Wäre ’ne Lüge, das weiß ich.»
    Wagner hatte sich mit beschwichtigend erhobenen Händen umgedreht und versuchte das Gesicht der noch im Halbdunkel der Diele stehenden Frau zu erkennen. Die grantige Stimme schwieg nur für einen Wimpernschlag.
    «Na los», schimpfte sie schon weiter, bevor Wagner zu einer Erklärung ansetzen konnte, und trat in den Ladenraum. «Worauf wartet Ihr? Hört Ihr schwer?»
    Sie war eine dieser Frauen, die man für gewöhnlich übersieht: nicht dick, nicht dünn, in fortgeschrittenem Alter und von mittlerer Größe, das weißblonde Haar unter einer schlichten ungebleichten Haube halb verborgen, die Kleidung aus grobem blauem Leinen längst verwaschen. Ihr Gesicht war gewiss nicht hübsch, aber auch nicht hässlich genug, um sich einzuprägen. Keinesfalls war sie die Meisterin. Eher die Magd, schloss Wagner, schon ewig im Haus, fühlt und gebärdet sich als treuer Hofhund. Sie hatte die linke Faust in die Hüfte gestemmt, in der rechten hielt sie einen hölzernen Kochlöffel, ein riesiges angekokeltes Ding. Immerhin kein Messer.
    Wäre Wagner in besserer Stimmung gewesen und der Anlass erfreulicher, hätte er vielleicht gelächelt. So straffte er die Schultern und gab in ebenbürtigem Grimm zurück: «Ich werde nicht gehen. Ich bin der Weddemeister. Weddemeister Wagner. Natürlich weiß ich, was passiert ist, ich weiß immer, was in dieser Stadt vorgeht, das gehört zu meinem Amt. Deswegen bin ich hier, ich muss Madam Hofmann sprechen. Halt, mach die Tür wieder auf.»
    «Schreit nicht so rum, das ist ein Trauerhaus. Was sind das für Manieren? Madam Hofmann hat sich endlich hingelegt, ich lass nicht zu, dass Ihr sie aufschreckt. Sie ist grad Witwe geworden, da wird ein guter Christenmensch Rücksicht kennen und ein bisschen warten. Was wollt Ihr überhaupt von der Meisterin?»
    Anders als die Diele war der Verkaufsraum hell, in dem durch zwei Fenster hereinfallenden Licht sah Wagner, wie sich ihre Augen im plötzlichen Verstehen erschreckt weiteten und ihr Gesicht alle Farbe verlor. Sie sank auf eine vielleicht Mehl oder Reis enthaltende Tonne und sah ihn mit neuer Wachsamkeit an.
    «Der Meister is’ tot», sagte sie langsam, legte den alten Holzlöffel auf den Tisch und schlang die Arme um ihren Körper. «Tot, ja. Das is’ schon schlimm genug, Magda war ja ganz vernarrt in ihn, die Meisterin. Aber wieso seid Ihr jetzt hier?»
    Wagner setzte sich auf den für Kunden bereitstehenden Stuhl und blickte streng. «Ist das nicht klar? Meister Hofmann

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