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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sein Maß hat und keiner dabei tot bleibt …»
    «Wer, Servatius? Wer ist gegangen?»
    «Wer? Alle. Nach Hofmann und Drifting auch der junge Kerl und sein Mädchen. Das Mädchen, das der Hofmann ancharmiert hat, wobei – ich sage dir, die ist ’ne ganz Pfiffige, ich hab genau gesehen, wie sie zuerst dem Hofmann Augen gemacht hat. Augen, sag ich dir!, kein Wunder, wenn ihr Kerl da übellaunig wird. Ist ja gut, Rosina, ich sag es schon. Der ist doch einer von euch, deshalb dachte ich, du weißt das längst. So was kommt vor, hat nichts zu sagen. Euer stummer Akrobat, Muto heißt der, oder? Der und sein Mädchen, mit der er tanzt und die er durch die Luft wirft und auffängt wie ’n Rosenblatt, ich hab’s auf dem Gänsemarkt gesehen. Tja», er rieb sich ausgiebig die Nase, «die beiden.»
    Es wurde still am Tisch, Geschwätz und Gelächter, Tonkrüge auf altem Holz, Glas gegen Glas, Rufe nach dem Wirt und der Schankmagd tauchten plötzlich wieder auf, als öffne sich eine Tür oder als wären sie zuvor nicht da gewesen.
    Rosina fühlte Magnus’ Hand auf ihrer. «Er ist erwachsen geworden», hörte sie seine ruhige Stimme, «mach dir keine Gedanken, so junge Männer sind immer ungeduldig und manchmal aufbrausend. Wenn es um Florinde ging …»
    «Nee.» Servatius war begierig, weiterzuerzählen, obwohl sein Glas leer und die Schankmagd nicht in Sicht war. «Nee. Euer Akrobat war wütend, weil der Hofmann und das Mädchen ’n bisschen rumpoussiert haben, das stimmt. Wäre doch jeder an seiner Stelle gewesen. Aber richtig los ging es erst, als euer Akrobat seinen ganzen Einsatz verloren hatte und …»
    «Einsatz?» Rosina richtete sich kerzengerade auf. Da hatte Jakobsen etwas verschwiegen, etwas Wichtiges. «Verloren? Soll das heißen, Hofmann hat mit Muto Karten gespielt?»
    «Mit Drifting und Muto, ja. Nur kurz, der Muto hat gleich verloren, lag sicher auch daran, dass er ja so gut wie nichts redet. Na ja, das Nötigste muss er da wohl gebrabbelt haben. Jedenfalls hat er übel verloren. Ganz aufgeregt war er. Sicher hat er gedacht, Drifting und Hofmann betrügen, kann ja sein, oder? Ich weiß das nicht, will ich gar nicht wissen, das ist nur ungesund. Jedenfalls hat Hofmann sich über ihn lustig gemacht, da hat’s nicht lange gedauert, und der Konditor hatte die Faust am Kopf. Ruck, zuck.»
    «Was hatte Hofmann denn gesagt? Hast du es gehört?»
    «Nicht genau. Ich saß am nächsten Tisch, aber der hat meistens leise gesprochen, dafür scharf …»
    «… wie ein Schlachtermesser, ja. Du hast also gar nichts verstanden.»
    «Ist doch egal, was der gesagt hat, Rosina. Der Hofmann hat den Akrobaten beleidigt, das war klar. Womit wohl? Wenn einer nicht spricht und dazu ein Fahrender ist und noch rote Haare hat, so einen zu beleidigen ist leicht. Und weil er wegen dem Mädchen schon wie ’ne Bulldogge war, brauchte es nicht viel, und schon ging’s los. Frag ihn doch selbst, du kennst ihn lange genug. Mit dir spricht der Stumme vielleicht.»
    Servatius holte Luft zu seinem nächsten meckernden Lachen, Rosinas Blick ließ ihn den Spott hinunterschlucken. Sicherheitshalber.
     
    Auf dem Heimweg war Rosina schweigsam. Es war nun fast dunkel, die Laternenanzünder waren unterwegs, hinter den Fenstern brannten schon die Lichter. Immer noch war viel Volk auf den Straßen, auch wenn es nun so aussah, als strebten alle eilig einem Ziel zu, ihrem Zuhause, einer Verabredung, einer abendlichen Pflicht. Der direkte Weg zu ihrer Wohnung in der Mattentwiete auf der Cremoninsel führte Rosina und Magnus Vinstedt den gleichen Weg entlang, den Bruno Hofmann in der Nacht seines Todes gegangen war. Beim Heilig-Geist-Hospital blieb Rosina stehen, und Magnus dachte, sie wolle nun den Rödingsmarkt hinuntergehen. Er hätte das gerne getan. Er zählte sich nicht gerade zu den Sensationslüsternen, aber es war doch in gewisser Weise anregend, den Ort zu passieren, an dem ein tödliches Unglück, wahrscheinlich sogar ein Mord geschehen war. Doch Rosina schob ihren Arm rasch wieder unter seinen und schritt energisch geradeaus in den Burstah, um dem Hopfenmarkt entlang der Nikolaikirche zu folgen und weiter zu der Brücke, die auf die Cremoninsel führte.
    «Woher wusstest du, dass Meister Hofmann sich geprügelt hat und der Apothekergeselle – wie hast du gesagt? – flinke Fäuste hat?»
    «Ich wusste es nicht.» Magnus’ Stimme klang heiter. «Ich wollte Servatius nur zum Reden bringen, bevor er sich endgültig mit Genever

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