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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ton von Ranks Trompete die Stille des Todes zerriß. Er wußte, was dieser Ton bedeutete, er sah es an Sathras Augen, die plötzlich aus der Entrücktheit zurück in die Wirklichkeit fanden, er sah es an der Hand mit dem giftigen Dorn, die seinem Willen nicht mehr gehorchte. »Tu es!« schrie er, und seine Stimme überschlug sich fast. »Stoß zu!«
    Aber der Zauber war gebrochen. Mit einem Aufschrei ließ Sathra den Dorn fallen, starrte Tomamai aus unnatürlich geweiteten Augen an, ihre Finger spreizten sich wie zwei Fächer und streckten sich dem Zauberer abwehrend entgegen.
    »Du hast unser Gesetz verraten!« rief Tomamai zürnend. »Frieden unter den Menschen! Du wolltest töten!« Er griff in seinen Gürtel, aber Sathra war schneller. Sie sprang mit einem Satz zur Seite und rannte durch den heiligen Bezirk auf den Palmenwald zu. Ihr langes schwarzes Haar flatterte wie eine Fahne im Wind. Sie stolperte über eine Wurzel, fiel hin, sprang wieder auf und lief weiter, die Todesangst im Nacken und darauf gefaßt, daß Tomamai sein Wurfmesser nach ihr schleuderte. Doch nichts geschah. Tomamai blickte ihr stumm nach, bis sie den heiligen Bezirk verlassen hatte und sich verzweifelt ins Unterholz warf, wo sie verschwand. Erst dann wandte er sich langsam um und starrte die Götterstatue an, auf der jetzt der volle Glanz der Morgensonne ruhte. Die buntbemalte Fratze grinste infernalisch. Aus den riesigen Augen und dem aufgerissenen Mund schien Blut zu fließen.
    »Sie haben andere Götter«, sagte Tomamai langsam und neigte sein Haupt vor dem Götzenbild. »Nur wir beide wissen noch, wo die Wahrheit ist. Laß diese Insel nicht untergehen, ich flehe Dich an. Laß uns weiterleben. Ich spüre es in meinem ganzen Körper, Du willst uns alle auslöschen, seit Jahren schon, weil auch wir immer mehr den anderen Menschen nacheifern. Herr, laß uns leben.« Er fiel auf die Knie, drückte sein Gesicht gegen die hölzerne Statue und begann zu weinen.
    Die nächsten zwei Tage vergingen mit qualvollem Warten. Balolonga ließ zwar an Baumanns Haus weiterbauen, aber er selbst rannte jammernd umher und verstand nicht, wie seine Tochter Sathra plötzlich auf einer Insel verschwinden konnte, die keinerlei Geheimnisse barg, außer Tomamais heiligem Bezirk. Wieder durchstreiften Suchtrupps die Insel, aber sie fanden nichts außer dem weggeworfenen Kleid. Es lag in einer einsamen Sandbucht, jenseits des Dorfes. Balolonga rannte am Meer entlang und verfluchte es. Er war nicht zu überzeugen, daß Sathra hier gebadet haben könnte und dann vielleicht von einem Hai angefallen worden war. »Sie kennt jede Stelle«, schrie er immer wieder. »Sie wäre nie in dieser Bucht ins Meer gegangen. Nie! Tomamai, was sagst du dazu?«
    Der Zauberer blickte still hinaus auf das ruhige Meer. Eine bleierne Hitze lag seit Stunden über der See, der Himmel war farblos und wie von der Sonne ausgebleicht. Sollte er sagen, daß er das Kleid hierhergebracht hatte? Sollte er sagen, daß Sathra aus Liebe zu Baumann bereit gewesen war, Marga zu töten? Sollte er sagen, daß Sathra im Inneren der Insel lebte, in einer der zahlreichen Höhlen, sich verkriechend wie ein krankes Tier? Er schloß die Augen und hob feierlich beide Arme in den glühenden Himmel. »Die Götter sagen: Wir werden sie wiedersehen«, sagte er, und es war wie ein Gebet. »Die Götter sagen …«
    »Die Götter!« schrie Balolonga. Jetzt erinnerte er sich, daß er ein getaufter Christ war. »Was können sie sagen? Nichts! Ich will wissen, wo Sathra ist! Warum ist sie verschwunden? Wohin? Was ist aus unserer schönen Insel geworden?«
    »Da hat er recht«, sagte Dr. Rank später zu den Baumanns, als Balolonga diese Frage im Dorf wiederholte. Sie saßen in Dylons Funkraum und hörten die Zahlenkolonnen ab, die von Bob Skeys Jacht gefunkt wurden. Auch die Antworten waren nur Zahlen. Dylon peilte den Sender an und nickte mehrmals. Ein Schiff, das näher kam …
    »Was ist aus unserer Insel geworden! Immobilienmakler verkaufen bereits alles, was sie kriegen können. In zwei Jahren wird Victoria ein Touristenzentrum sein wie die Riviera! Der Begriff Paradies wird umgedeutet werden und schließlich Touristen-Oase heißen. Alex, Sie haben sich die falsche Insel ausgesucht. Aber wo wollen Sie hin? Auf den Malediven ist's nicht anders. Die Karibik ist jetzt schon voll. Die Kapverdischen Inseln sind in den Sog der Politik geraten. Schluß, aus! Samoa ist nur noch Südseekulisse für den Massentourismus. Unsere

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