Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
als Hexe anzeigen. So hatte sie keine Wahl. Zwar fuhr ihr der Schreck in die Glieder, drei Taler, wo so viel Geld im Spiel war, da ging es sicher um Gefährliches, aber einem Verhör durch den Rat wollte sie sich nicht aussetzen.
Zu sehr lag ihre Kunst im Geruch der Hexerei in diesen Tagen.
So packte sie die Sachen zusammen, die sie brauchen würde, ihre Kräutertasche und ihren Stock und folgte Rüdiger.
Die ersten Strahlen einer kalten Sonne berührten gerade die Baumwipfel, als sie das Gehöft der Oberhuser erreichten. Obwohl es Zeit war, das Vieh zu versorgen, war der Hof menschenleer. Die Kühe murrten schon im Stall und der Hahn setzte zu einem ersten Weckruf an. Im Gesindeteil waren die Fensterläden schon geöffnet, aber niemand ließ sich blicken.
In der Tenne nahm Rüdiger eine dicke Wachskerze aus einer Truhe, zündete sie an und führte Carda durch den Gesindeteil in eine fensterlose Kammer.
Dort lag Barnabas auf einem Bett.
Rüdiger hatte ihn gemeinsam mit den Knechten überwältigt und mit groben Stricken an das Lager gefesselt.
Barnabas starrte Carda aus unnatürlich geweiteten Augen an. Im matten Licht der Kerze wirkte sein Pockengesicht unheimlicher als sonst. Ein spöttisches Grinsen verzog seinen Mund.
"Du kennst ihn schon, nicht wahr?" fragte er.
Es durchfuhr Carda wie ein Blitz. Obwohl sie damals im Kloster schon einigen Austreibungen beigewohnt hatte, war sie noch nie direkt von einem Dämonen angesprochen worden. Und sie zweifelte keinen Moment daran, dass diese unnatürlich rauhe Stimme einem Dämonen gehörte. Sie wusste nicht, wovon er sprach, aber nun war sie sich ganz sicher, dass sie Recht gehabt hatte, als sie Wessel erklärte, dass es sich bei ihrer Begegnung um den Anfang von etwas handelte.
Sie antwortete nicht auf die Frage des unheiligen Wesens, und näherte sich vorsichtig dem Bett.
Barnabas hob den Kopf.
"Ich kann hören, was du denkst, Illain . Dieser Mann wird dir nicht helfen können. Ich werde ihn noch vor dir töten, glaube mir, er wird dir nicht helfen können."
Carda versuchte, nicht darauf zu achten, was er sagte, sie wusste, dass die Teufel immer vorgaben, alles zu wissen, aber Gott allein wusste alles und so logen sie, um die Menschen zu verwirren.
"Er redet nicht wie mein Bruder ," sagte Rüdiger. Das Licht in seiner Hand zitterte und warf unruhige Schatten an die Wand.
"Halt deinen Mund und das Licht still ," fuhr Carda ihn an, "es ist auch nicht dein Bruder, der spricht, es ist der Dämon."
Rüdiger stellte die Kerze auf einen Schemel neben dem Bett und hockte sich in eine Ecke, die Knie ganz nah an den Körper gezogen und den Kopf in die Hände vergraben. Er liebte seinen Bruder nicht, aber zu sehen, dass ein Teufel von ihm Besitz ergriffen hatte, ging ihn doch hart an. Und was war, wenn der Dämon von seinem Bruder genug hatte und auf ihn überging?
" Illain ," zischte der Dämon wieder, " Illain , ich werde es dir nicht leicht machen, du mußt es suchen, aber meine Hunde werden dich finden, sie werden dich finden, denke immer daran."
Carda beugte sich über ihn und der Dämon begann, sich unter seinen Fesseln zu winden. Warum sprach er sie mit diesem fremden Namen an, und was sollte sie suchen? Sie nahm sich fest vor, nicht weiter hinzuhören. Statt dessen blickte sie Barnabas ins Gesicht.
Etwas veränderte sich. Als hätte der Dämon nur auf sie gewartet.
Zwischen Barnabas Lippen hindurch konnte sie sehen, wie seine Zähne sich in sekundenschnelle in schwarze Stümpfe verwandelten. Zwischen den Stümpfen schimmerte es wie von Insektenpanzern. Ein fauliger Geruch schlug ihr entgegen. Unter den Fesseln und der Decke, die man über Barnabas Körper geworfen hatte, bildeten sich Beulen und diese Beulen begannen, zwischen den Stricken hin und her zu wandern und wieder zu verschwinden, wie Luftblasen auf einer Wasseroberfläche.
Carda murmelte vor sich hin: "Entweiche in Gottes Namen, Belial, entweiche Beelzebub. Acre arcre arnem nona aernem beodor aernem nidrem acrun cunad ele harassan fidine ".
Die Bedeutung der lateinischen Worte kannte sie nicht, aber der Spruch verfehlte seine Wirkung nie, sie hatte ihn im Kloster gelernt und war selbst Zeugin gewesen, wie ein Dämon als wäßriger Ausfluß durch die Ohren ein Kind verlassen hatte, als die Mutter Oberin ihn mehrmals aufsagte.
Aber der Dämon lachte nur mit Barnabas Lippen, und Carda konnte sehen, wie sich in seinem Mund schwarz glänzende Käfer bewegten, die aus seiner Kehle zu kommen
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