Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
in seinen schlafähnlichen Zustand und Eckhardt konnte aufstehen.
Er ging in sein Badezimmer und ließ sich heißes Wasser in die Wanne laufen. Das Embryo liebte die Hitze. Und es liebte die Wärme des Alkohols, die durch Eckhardts Blut floß , wenn er etwas trank. Also machte er sich einen Drink und setzte sich in die Wanne, noch während das Wasser lief. Er konnte sich besser an die Hitze gewöhnen, wenn er das heiße Wasser langsam an seinem Körper aufsteigen ließ. So lag er in der Wanne, nippte an seinem Drink und hing seinen Erinnerungen nach.
Gute zwanzig Jahre war es jetzt her, dass er seiner Bestimmung näher gekommen war. Damals waren mit ihm Veränderungen vorgegangen, die ihn in den Augen seiner Mutter von dem Musterschüler, der er einmal gewesen war, in eine Bedrohung der Ordnung verwandelt hatten. Von einem Tag auf den anderen war er mit kahlgeschorenem Schädel und einer grün-leuchtenden Jacke nach Hause gekommen und hatte Musik von Gruppen mit Namen wie 'Volkssturm' oder 'Endsieg' gehört.
Für ihn war es die entscheidende Zeit in seinem Leben gewesen. Und wenn seine Mutter dafür kein Verständnis gehabt hatte, ihn hatte das wenig gekümmert. Er war eben auf der Suche. Mit den Jungs in Kneipen herumzuhängen und Ausländer klatschen zu gehen, das hatte ihm eine ganze Zeit lang ein Gefühl von Überlegenheit verschafft, aber auf die Dauer hatte er dann doch eingesehen, dass ihn das nicht weiterbrachte. Die anderen aus der Szene waren ihm einfach zu dumm, die meisten waren nur dabei, weil es eine Provokation war, rechtsextrem zu sein. Zehn Jahre früher wären sie Linksextrem gewesen.
Aber er war damals noch eine Weile in der Szene hängen geblieben, einfach weil er gesehen hatte, dass seine Mutter sich wirklich vor ihm zu fürchten begann, und das gefiel ihm. Sie hatte echt Schiss davor, wie er aussah. Diese Schlampe, mit ihrer ewigen Nörgelei ging sie ihm mächtig auf den Sack. Sollte sie doch tagsüber alten Fotzen die Haare machen, und sich abends durch ihre vierundzwanzig Kanäle zappen, er wollte leben und sein Leben sollte einen Wert haben. Es sollte einmalig und groß werden. Über die Plattenbausiedlung seiner Kindheit wollte er sich weit hinaus heben.
Er wusste damals nur noch nicht, wie.
Seine Mutter hatte sich dann irgendwann dazu entschlossen, ihn für einige Zeit zu einem Onkel nach Norwegen zu schicken. Das kalte Land und die männliche Hand ihres Bruders würden ihm die Flausen aus dem Kopf treiben und vielleicht würde sie ja ihren Jungen, ihren hochbegabten, sensiblen Jungen anstatt dieses Rowdies wieder bekommen.
In Norwegen hatte er sich zunächst fast ein ganzes Jahr bei seinem Onkel in Oslo herumgetrieben. Der verschaffte ihm Arbeit in einer Autowaschanlage. Die Arbeit war leicht, der Lohn gering, und das Bier war teuer im hohen Norden. Oslo war ein stinkendes Nest und er langweilte sich zu Tode in der miefigen Hauptstadt. Außerdem verstand er sich nicht mit seinem Onkel. Und nachdem es schließlich zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen war, zog es ihn weiter in den Norden des Landes, bis Narvik.
Der Onkel war mit gebrochenem Unterkiefer zurückgeblieben.
Was sollte es schon, er würde sich etwas das Land ansehen. Vielleicht gab es ja interessantere Ecken als dieses verfurzte Oslo.
In Narvik hatte er dann die Bekanntschaft von Jan und Helga Bornsen , einem Ehepaar, kaum ein paar Jahre älter als er gemacht, das Fliegenpilze und Psylocibine , die nordische Variante des mexikanischen Peyotel , züchtete.
Die beiden hatten einen Tick für Schamanismus. Sie waren mächtig stolz darauf gewesen, dass sich die schamanistische Kultur hier vom hohen Norden aus bis hinunter nach Afrika und Asien verbreitet hatte. Sie waren Faschisten und Schamanen, die arische Kultur und die Bräuche ihrer Völker galten ihnen als eins.
Gemeinsam mit den beiden begann er, alles an Literatur zum Thema zu verschlingen, und an Wochenenden trafen sie sich mit anderen jungen Leuten, um die Tradition der Vorväter wieder zu beleben.
Es war hipp.
Sie zogen, vollkommen bedröhnt von den halluzinogenen Pilzen, durch die Wälder und ahmten die Existenz eines Rentieres, eines Wolfes oder eines Bären nach. Sie waren ständig voll und amüsierten sich köstlich, aber durch das norwegische Unterholz zu hüpfen und sich wie ein Bärengott zu fühlen, brachte ihm auf Dauer ebensowenig wie vorher das Anstecken von Asylbewerberheimen.
Er wollte sich nicht wie ein Gott fühlen, er wollte
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