Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
Atmosphäre flog sie auf diese fremde Erde zu und donnerte dicht über einer von dornigem Gestrüpp befallenen Erde einer mittelalterlich wirkenden Stadt entgegen. Schlangen schossen wie Pfeile aus dem Gestrüpp empor und versuchten, sie mit ihrem Gift zu treffen, das sie aus ihren Mäulern spritzten. Die wunderbaren Landschaften, die sie früher durchwandert hatte, war einer kargen, von unheimlichen Tieren und giftigen Pflanzen bewohnten Wüste gewichen.
Das Bild wackelte und zitterte, sie fühlte, wie ihr Herz schmerzhaft zu schlagen begann. Dann sah sie in der Ferne eine weibliche Gestalt, mit weit vorgereckten Armen, auf sich zu laufen. Sie schien etwas zu rufen, aber Elaine konnte nichts hören, denn die Geschwindgkeit ihres eigenen Fluges rief ein Rauschen und Donnern hervor, dass alle anderen Geräusche schluckte . Sie flogen sich entgegen, Elaine und die Gestalt in der Ferne, als plötzlich von der Seite her eine andere Gestalt die fremde Frau ansprang und aus Elaines Blick riss. Im Flug versuchte sie ihren Kopf zu drehen und den verschwindenden Gestalten nachzusehen, aber plötzlich verengte sich die Landschaft um sie herum zu einem engen Tunnel durch den sie flog. Der Tunnel war aus Beton und wurde immer enger, sie schlug mit den Schultern gegen seine Wände ohne den gefährlichen Flug abbremsen zu können, und ganz am Ende leuchtete ein helles Licht, dem sie entgegen fiel.
Und wenn sie dann hochschreckte aus diesem Alptraum, fühlte sie sich angespannter als vorher. Erst jetzt fiel ihr auf, wie sehr sie ihre Tagträume gebraucht hatte, um ihr seelisches Gleichgewicht zu halten.
Wahrscheinlich nagte die gerade so unschön zerbrochene Beziehung zu Eckhardt mehr an ihren Nerven, als sie sich eingestehen wollte. Aber ebenso das Gefühl, dass sie dabei war in eine Geschichte zu schlittern, die immer unheimlicher wurde rieb an ihr wie Schmirgelpapier. Das Bedürfnis, entkommen zu wollen, wurde manchmal so übermächtig, dass sie das Gefühl hatte, als sei sie in einen dicken Gummianzug eingeschlossen, der ihr die Möglichkeit zu atmen nahm. Ihre Tagträume hatten all das bisher kompensieren können, ihre kurzen Ausflüge in die unberührten Landschaften ihres Unterbewußtseins hatten ihr den Halt gegeben, den sie jetzt unweigerlich zu verlieren drohte.
Wahrscheinlich war sie neurotisch, das war ihr klar. Wahrscheinlich waren schon ihre bisherigen Tagträume eine Flucht in die Neurose gewesen. Aber das war ihr im Moment egal. Sie wusste, dass es kaum Menschen gab, die nicht irgendwelche Neurosen hatten und ihre war nicht die allerschlimmste. Immerhin nahm sie keine Drogen oder gab sich seltsamen Gruppenspielen mit Kleingartenbesitzern hin. Ihre Träume gaben ihr, was die Welt für Erwachsene nicht mehr bereithält, das wusste sie. Und wenn sie schon neurotisch sein musste, dann wollte sie wenigstens ihre erholsame Neurose zurück haben. Ihre Landschaften.
Unruhig wälzte sie sich nächtelang hin und her und kämpfte gegen die fremdartigen Bilder an, die sich immer tiefer in ihr Leben drängten. Wie ausgehöhlt lag sie da, ohne Kontrolle über das, was in ihr vorging. Das konnten doch unmöglich IHRE Gedanken sein, sie fühlte, dass ihr Ich keinen Kontakt zu diesen Bildern hatte, das ihr Ich nicht die Quelle dieser Bilder war, aber genauso fühlte sie auch, dass es ein ICH geben MUSSTE, welches die Ursache dieser Bilder war.
Sie überlegte, ob sie eine Therapie anfangen sollte, entschied sich aber schnell dagegen. Zum einen hatte sie einfach keine Lust einem Fremden ihre intimsten Dinge zu erzählen, zum anderen schob sie die Tatsache, dass ihre Traumlandschaft immer bedrohlichere Züge annahm, auf ihre Recherchen über die Hexenverfolgung. Gerade die Veränderung der Landschaft in Richtung eines mittelalterlichen Szenarios interpretierte sie als Versuch ihres Unterbewußtseins , die grausamen Details über Verfolgung und Folter der Frauen zu verarbeiten.
Sie hätte sofort ihre Nachforschungen aufgegeben, wenn sie dadurch nur ihr Gleichgewicht wieder hätte erlangen können.
Aber da war ein kleines Detail, das sie davon abhielt: Diese Frau, die nach ihr rief, war ihr schon VOR dem ersten Treffen mit Eckhardt und BEVOR sie mit den Recherchen begann, erschienen.
Sie versuchte sich genau zu erinnern, wann die Veränderung ihrer Visionen begonnen hatte und stellte nach einigem Nachdenken fest, dass dies geschehen war, kurz bevor sie Eckhardt auf der Sylvesterparty kennen gelernt hatte. Damals, so erinnerte
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