Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
abgesehen von seinem Namen, wirklich keine Ähnlichkeit mit der Filmfigur gleichen Namens hatte, er war klein, fast mickrig von Gestalt, bartlos und trug an seinen Fingern auffällig viele Ringe, alle klobig und billig, an denen er während der Befragung nervös drehte.
Er sah eher wie ein erfolgloser Zuhälter als wie ein Polizist aus, dachte Elaine.
Er fragte sie sofort nach ihrer Beziehung zu Marion und ob sie gewußt habe, dass diese wegen Bulimie in Behandlung gewesen sei. Das wusste Elaine nicht, obwohl sie natürlich gesehen hatte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Zumindest, so dachte sie für sich, war ihr jetzt klar, wieso sie damals bei ihrem Frühstück nichts hatte essen wollen.
„Ja ,“ sagte Tanner, „ich musste mich auch belehren lassen, dass die Unordnung in ihrer Wohnung häufig mit dem Krankheitsbild zu erklären ist, das diese Frauen entwickeln. Wir haben herausgefunden, dass sie in den Läden der Umgebung schon versucht hatte, auf Kredit Lebensmittel zu kaufen, obwohl sich in ihrem Kühlschrank Rationen befanden, die das Elend im Kosovo beseitigt hätten. Weiter haben wir herausgefunden, dass jemand, wahrscheinlich ein Mann, ihre Miete bezahlte. Können Sie sich vorstellen, wer das war?“
Das konnte Elaine natürlich nicht, sie hatte ihre Nachbarin ja nur einige Male gesehen und eben nur einmal, als sie ihr mit dem Schrank half, wirklich mit ihr gesprochen und ihre Wohnung von innen gesehen.
Ob ihr irgend etwas Ungewöhnliches, außer dem allgemeinen Zustand der Wohnung, dort aufgefallen sei?
Elaine musste verneinen.
„Können Sie sich erklären, was das soll?“ fragte Tanner und legte zwei identische Ausgaben des Kartenspieles, mit dem sie damals ihre morgendliche Wahrsagesession abgehalten hatten, vor ihr auf den Tisch.
„Was ist das?“ fragte sie möglichst unschuldig.
Tanner deckte einige Karten auf, es hatte gar keinen Sinn, auf dumm zu machen.
„Das sind Tarot-Karten ,“ Elaine heuchelte Erstaunen.
„Ja ,“ sagte Tanner nur und blickte Elaine weiter durchdringend an. Er blätterte weitere Karten auf, immer je eine von jedem Stapel, immer zwei identische Karten bis die Serie identischer Karten durchbrochen wurde.
„Es fehlt eine Karte des einen Spieles ,“ sagte Tanner und blickte Elaine aufmerksam an. Sie musste sich beherrschen, ihm direkt in die Augen zu sehen. Vor ihr lag eine identische Kopie der Karte, die sie mitgenommen hatte.
Tanner tippte auf die Karte mit der Abbildung des Typhons.
„Die fehlt im anderen Spiel.“
„Na und?“ fragte Elaine.
„Die beiden Stapel lagen fein säuberlich sortiert auf dem Tisch im Wohnzimmer, das einzige was in der Wohnung fein säuberlich sortiert war.“
„Wahrscheinlich hat sie bemerkt, dass eine fehlt und sich ein neues Spiel gekauft.“ Elaine versuchte Interesse zu heucheln.
„Ja ,“ erwiderte Tanner, „das vermuten wir auch, aber können sie uns sagen, warum dieses Spiel so wichtig für ihre Nachbarin war? Immerhin kostet so ein Ding ein bißchen was und wie ich schon sagte, war sie so ziemlich pleite.“
„Vielleicht glaubte sie an den Quatsch.“
„Ja, wahrscheinlich ,“ seufzte Tanner, lehnte sich frustriert in seinem Stuhl zurück und drehte an seinen Ringen, „die Leute tun ja alles mögliche für ihren Glauben und wahrscheinlich haben sie recht. Ich habe mich erkundigt, dieser esoterische Quatsch ist nicht ungewöhnlich bei psychischen Störungen wie ihre Nachbarin sie hatte.“
„Wieso muss man gleich gestört sein, wenn man sich mit sowas beschäftigt?“ entfuhr es Elaine.
Tanner blickte sie mißtrauisch an.
„Wieso so heftig? Glauben Sie etwa auch an so einen Unsinn?“
Elaine war unsicher, sollte sie nun wieder abstreiten? Sie wollte diesen Mann auf keinen Fall unterschätzen. Wenn sie jetzt so tat, als hätte sie überhaupt nichts mit so etwas zu tun, würde sie nur seinen Verdacht erwecken.
„Nein, glaube ich nicht, aber man sollte es nicht gleich als Unsinn abtun, bei allen Völkern der Welt gibt es einen ähnlichen Glauben an übersinnliche Kräfte, man kann das nicht in einen Topf werfen.“
„Ach so, ja“ Tanner seufzte wieder und blickte auf ein Blatt Papier vor ihm, „sie studieren ja Ethnologie, ja nun, dann ist das ja so etwas wie eine professionelle Meinung, nicht wahr?“
Elaine war nahe daran, anzuspringen. Was sollte dieser ironische Unterton? Aber sie beherrschte sich wieder. Er wollte sie sicher nur aus der Reserve locken wollte.
„Also, sie wissen nichts
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