Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
dahintergekommen war, dass sie doch etwas mehr über das Kartenspiel wusste, als sie zugegeben hatte.
Gerade wollte sie etwas dementsprechendes sagen, aber Tanner hatte sie einfach weiter zur Seite geschoben und stand schon in ihrem Zimmer.
Eric war schnell unter der Dusche verschwunden. Man hörte das Wasser rauschen.
"Besuch?" fragte Tanner mit einem anzüglichen Lächeln.
"Das geht Sie einen Scheiß an."
Elaine war bereits auf hundertundachtzig , und das ganz ohne Kaffee.
"Unsere kleine Amazone will frech werden" lachte der Kommissar bitter.
Der kleine Mann machte heute gar nicht so einen müden Eindruck wie das letzte Mal, fand Elaine. Irgend etwas schien ihm über die Leber gelaufen zu sein, und im Moment hoffte sie, dass nicht sie das gewesen war. Sie hatte genug am Hals, da musste nicht noch so ein bezahlter Terrier hinzukommen, die Sache würde auch so schwierig genug.
Ohne weiteres setzte sich Tanner in den Sessel, in dem gestern Eric gesessen hatte.
"Sagt Ihnen der Name Eckhardt etwas?" fing er an, und fuhr, sich eine Zigarette in den Mund steckend, die er aus seinem unvermeidlichen Mantel gefischt hatte, fort, "ich rate Ihnen gleich, das nicht abzustreiten. Sie wurden zusammen gesehen, und das nicht nur einmal. Aber ich will Mal so tun, als wäre Ihre Überraschung echt, die sie da gerade so wunderbar in ihr hübsches Gesicht gezaubert haben."
Er stand auf, stellte sich vor sie hin und blies ihr den Rauch seiner stinkenden Kippe ins Gesicht.
"Denken Sie Mal, junge Frau, der gleiche Mann, der Sie des Öfteren von Ihrem Arbeitsplatz abgeholt hat, betreibt eine Art Therapiezentrum für bekloppte Jünger des Gurus Ich-weiß-nicht-was-soll-es-bedeuten. Tja, da staunen Sie was? Und nun werden Sie sich sicher wieder wundern, dass ausgerechnet Ihre tranchierte Nachbarin nicht nur in diesem Therapiezentrum verkehrte, sondern nach einem hysterischen Anfall sogar für drei Tage in unsere örtliche Klapse eingeliefert wurde. Was sagen Sie dazu? Lassen auch Sie Ihren Tränen in den heiligen Hallen des Herren Eckhardt seinen Lauf? Oder stehen Sie auf der anderen Seite und lachen diese armen Idioten aus, während sie die Scheinchen zählen? Mmhhh ?"
Er drehte sich um und setzte sich wieder in den Sessel.
Eric kam herein, sagte aber nichts und setzte sich, nur in ein Badetuch gewickelt, auf das Bett und hörte zu. Tanner schenkte ihm nur einen kurzen Blick, als wolle er sagen: "Zu dir kommen wir ein andermal, Romeo."
Elaine stand mitten im Raum und fühlte sich plötzlich entsetzlich allein. Ein Gefühl, dass Sie erst in der vergangenen Nacht für kurze Zeit verlassen hatte, ihr jetzt aber, da es wieder kam, so schmerzhaft wie neu erschien. Dass Eckhardt ihre Nachbarin umgebracht hatte, das war ihr ja schon klar gewesen, aber dass eine so dichte Verbindung zwischen der armen Frau und Eckhardt bestanden hatte, das war ihr neu. Sie wusste es noch nicht einzuordnen, aber das Gefühl der Beklemmung, das Gefühl, Bauer in einem Spiel zu sein, dessen Regeln sie noch nicht kannte, kam wieder in ihr hoch. Sie glaubte keinen Moment daran, dass Marion und Eckhardt sich erst hier im Haus kennengelernt hatten. Es war also kein Zufall, dass Marion neben ihr eingezogen war, und das konnte eigentlich nur eins bedeuten: das Eckhardt sie hatte ausspionieren lassen. Aber das bedeutete, dass sie aus irgendeinem Grunde wichtig für ihn war. Sie erinnerte sich an ihre zweite Begegnung, damals im Park, als sie genau dieses Gefühl zum ersten Mal hatte: dass sie aus irgendeinem Grunde wichtig für ihn war, dass er nicht ohne sie weiterleben könnte, sie aber sehr wohl ohne ihn. Sie hatte es damals abgetan, aber jetzt konnte sie das nicht mehr. Was, verflucht, wollte Eckhardt von ihr? Was hatte sie, was er wollte? Sie dachte an die Rollen unter ihrem Bett. Vielleicht stand da drin, um was es hier eigentlich ging. Aber wenn das alles war, warum hatte sich Eckhardt nicht schon viel früher selbst die Rollen besorgt? Außerdem wusste sie ja auch erst durch ihn, dass diese Schriften eine bestimmte Rolle in einem Spiel spielten, dass sie überhaupt nicht verstand. Verdammt, sie drehte sich im Kreis. Vielleicht war die Frage gar nicht, WAS SIE HATTE, sondern, WER SIE WAR. Vielleicht brauchte Eckhardt gar nichts von dem, was sie wusste, sie wusste ja alles erst, nachdem sie durch seine Anregungen angefangen hatte zu forschen, vielleicht brauchte Eckhardt einfach nur SIE SELBER. Aber WER WAR SIE; DASS ER SIE BRAUCHTE?
"Ich wusste
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