Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
erzählte.
Denn kurz vor seiner vorgezogenen Einschulung war es dann zu dem Zwischenfall gekommen, der schließlich zur Entlassung der Frau geführt hatte.
Eines der Kinder, ein kleiner Junge der bisher durch nichts weiter aufgefallen war, verletzte eines Tages im Streit ein Mädchen mit einer Schere böse im Gesicht. Die arme Kleine hatte dreimal operiert werden müssen, und eine irreparable Sehschwäche war ihr für das Leben geblieben. Verantwortlich für den Zwischenfall, und das schwor die Frau heute noch, war der kleine Volkmar Hendrich , obwohl sie schon damals hatte zugeben müssen, dass er zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht einmal in der Nähe der Beiden gewesen war. Aber die Frau beteuerte, dass das kleine Mädchen das einzige Kind gewesen war, das gegen Volkmars frühe Intrigen immun gewesen sei. Und er hatte sie gehaßt . Außerdem hatte die Frau beobachtet, dass allein Volkmar nach dem Vorfall nicht in Weinen und Panik ausgebrochen war wie die anderen Kinder. Ganz still war er in einer Ecke gesessen und hatte aus Bauklötzen an einem für ein Kind monströs großen Palast gebaut, ohne auch nur einmal aufzusehen.
Als der Junge dann die Blicke der Frau gespürt hatte, hatte er wütend über diesen Blick mit einem Stoß sein Bauwerk zum Einsturz gebracht.
Noch als die Frau Eric dies berichtete, war ihr die Verwunderung anzumerken gewesen, die sie empfunden hatte, als sie das Gebäude aus bunten Klötzen gesehen hatte. Mit seinen vielen, für die Fähigkeiten eines Kindes viel zu perfekten Türmen und Bögen hatte es sie an Bilder erinnert, die sie daheim in ihrer bebilderten Bibelausgabe oft betrachtete.
Aber als sie damals ihre Beschuldigungen gegen den kleinen Jungen geäußert hatte, war sie sofort von der Leiterin des Kindergartens zurechtgewiesen worden, nicht mit so unhaltbaren Verdächtigungen hausieren zu gehen. Sicher war ihr keine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht nachzuweisen, aber der Eindruck, dass sie von sich hatte ablenken wollen, wurde durch ihre krude Geschichte natürlich bestärkt. Und als sie nicht aufhörte herum zu erzählen, dass Volkmar an den Verletzungen des Mädchens Schuld war und auch noch von dem Tempel anfing, den der Junge angeblich gebaut hatte, hatte man sie schließlich entlassen.
Vollkommen aufgeregt durch diesen seltsam bedrohlichen Bericht aus Volkmar Hendrichs Kindheit hatte Eric nicht eher geruht, als bis er sich auch von der Schulzeit seines Feindes ein ungefähres Bild machen konnte.
Er fand heraus, dass in der Schule die Probleme um den Jungen zunächst schlagartig aufgehört hatten. Volkmar hatte sich eingefügt. Den Unterrichtsstoff lernte er schnell und begierig, als habe er sein kurzes Leben lang nur darauf gewartet, an einen Pool von Informationen aller Art zu kommen. Er hatte gelernt, was sein junges Hirn nur aufnehmen konnte, und dessen Kapazität schien nicht gering.
Er war weiterhin ein Einzelgänger geblieben, hatte sich aus Konflikten mit seinen Mitschülern aber heraus gehalten. Streit schien ihm nun Zeitverschwendung zu sein.
Das dritte Schuljahr hatte der Junge überspringen dürfen. Seine Mutter war stolz auf ihn.
In den folgenden Jahren schien sich die Sonderbegabung des Jungen zu legen, er fiel weder durch asoziales Verhalten noch durch brillante Beiträge zum Unterricht besonders auf und die Lehrer hatten das kleine Genie bald ebenso vergessen wie seine übrige Umwelt.
Es schien Eric, als hätte der junge Volkmar nicht mehr auffallen wollen, als hätte er für spätere Unternehmungen bereits früh die schützende Anonymität gesucht, die er erst wieder durchbrochen hatte, als er durch die Ausweitung seines Einflusses als Verleger das Licht der Öffentlichkeit nicht mehr meiden durfte.
Seine Spur hatte sich dann für Eric verloren als er mit siebzehn Jahren die Schule verließ und ins Ausland ging. Nur, dass seine Mutter ein Jahr nach seinem Verschwinden in ihrer Wohnung erdrosselt aufgefunden wurde, hatte Eric verraten, dass der Mörder seiner Jugendfreundin wieder in seine Heimat zurückgekommen war.
Aber das Unheimlichste über Eckhardt, das, was er nicht mehr verdrängen konnte seit Elaine ihm alles erzählt hatte, waren die Berichte über die Umstände seiner Geburt, die er von Ärzten des örtlichen Krankenhauses erhalten hatte.
Schon als die Mutter damals ins Krankenhaus eingeliefert worden war, war klar gewesen, dass ihr kleiner Liebling es wohl vorziehen würde, mit dem Hinterteil zuerst das Licht der Welt zu erblicken, sofern
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