Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
dachte: Warum sollte ich es nicht genießen, seine Bosheit gegen ihn selbst zu kehren, ihn zum Opfer seiner eigenen Intrige zu machen? Warum sollte ich nicht in diesem kurzen Triumph schwelgen? Immerhin war ich Fionas Eltern nicht entronnen, nur damit Sonny Rawlins seine Spielchen mit mir spielte.
»Tja, ich wäre nicht überrascht, wenn Lynne am Ende Recht hätte«, sagt Miss Winters und reißt mich damit aus meinen Erinnerungen. Ich starre sie an, versuche im Nachhinein zu verstehen, was sie gerade gesagt hat, frage mich kurz, ob sie es weiter ausführen wird, aber dann wendet sie schweigend den Blick ab. Unvorstellbar, dass Sonny Rawlins jemals etwas Nettes über mich gesagt haben sollte – ob zu Miss Winters oder jemand anderem –, ganz zu schweigen davon, dass er mich toll finden könnte. Andererseits entgeht Miss Winters fast nichts. Und sie weiß, was in einem vorgeht, was sich tatsächlich hinter Worten und Taten verbirgt. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass ich mit ihr rede: Sie weiß, worum es geht, auch wenn ich es nicht ausspreche.
Ich seufze. »Das ändert nichts daran, dass er mich hasst. Und ich hasse ihn. Ich wünschte, er wäre tot. Es gibt jede Menge Leute, die schreckliche Unfälle erleiden. Warum nicht auch Sonny Rawlins?«
Miss Winters versteht dies offenbar als Scherz, denn sie antwortet nur: »Wenn er dich zu Hause belästigt, sollten Amy und Paul vielleicht ein Wörtchen mit seinen Eltern reden. Soll ich es ihnen vorschlagen?«
»Nein«, antworte ich mürrisch. »Er wohnt zwei Straßen weiter. Er wäre danach umso fieser.«
»Nicht unbedingt«, sagt Miss Winters. »Ich bin seinen Eltern ein paarmal begegnet, und sie wirken sehr nett.«
Ich zucke mit den Schultern, denke an Elternabende und öffentliche Sportveranstaltungen. »Kann sein«, sage ich lahm. »Wenn seine Eltern dabei sind, spielt er sich nicht so auf.« Dann muss ich an den Basar denken, den Miss Winters letztes Jahr für ihren Verein organisiert hatte. Nachdem sich alle Eltern in das Tee-Zelt zurückgezogen hatten, machten wir uns auf die Suche nach Jenny, die bei einem Wettbewerb die Zahl der Smarties im Glas erraten hatte, aber dann stießen wir auf Sonny Rawlins und Fred und ergriffen kreischend die Flucht, weil sie uns mit Kies bewarfen.
Trotzdem hat Sonny Rawlins eine Mutter, die Blumen liebt und sich wie Amy dem Anpflanzen schöner Dinge widmet. Die wie Paul die Namen aller Pflanzen kennt und weiß, wann sie blühen. Die einem all die kleinen Dinge zeigen kann, die man nur bemerkt, wenn man ganz genau hinschaut, etwas, das auch ich nach vier Jahren bei Amy und Paul gelernt habe. Und was hat Sonny Rawlins von seiner Mutter gelernt? Er hat gelernt, wie man anderen mit Blumen wehtut – wie man das Gift darin sieht.
»Vielleicht sprichst du mit Amy und Paul darüber, und wir reden nächste Woche wieder über das Thema. Jetzt sollten wir uns fragen, wie du verhindern kannst, dass Sonny Rawlins dich so aufregt.«
»Onkel Ben hat tolle Vorschläge gemacht. Zum Beispiel den Bau einer Falle. Wie eine Kaninchenschlinge«, sage ich und richte mich auf, um gestikulieren zu können. »So ein Ding, das die Leute in die Luft reißt, so dass sie kopfüber irgendwo runterhängen. Oder eine Schleuder, die faule Eier verschießt, wenn jemand etwas gegen die Haustür wirft. Eine Art Katapult.«
»Und wenn der Postbote die Schleuder versehentlich auslöst? Er wäre bestimmt nicht erfreut«, sagt Miss Winters und sieht dabei aus, als müsste sie gleich lachen.
»Ich weiß. Das hat Onkel Ben auch gesagt. Aber er meinte, wir könnten mit dem Scharfmachen der Falle warten, bis die Post da war, und nachts könnten wir sie wieder entschärfen. Aber am besten findet er eine Armbrust, die mit Spülmittel gefüllte Luftballons verschießt. Denn Spülmittel ist ziemlich glitschig, und wenn man viel davon abbekommt, dauert es wegen des Schaums ewig lange, bis man es ausgewaschen hat. Können Sie sich vorstellen, wie Sonny Rawlins schaumbedeckt durch die Schule zu den Toiletten geht, um sich dort zu waschen, und danach noch mehr schäumt?«, frage ich kichernd. »Ich finde, das wäre auch ohne Katapult eine super Idee. Es wäre allerdings problematisch, einen mit ausreichend Spülmittel gefüllten Luftballon in der Tasche herumzuschleppen. Und in der Schultasche könnte er platzen. Onkel Ben will sich etwas ausdenken, damit ich im Notfall bewaffnet bin.«
»Dein Onkel Ben scheint ein wunderbarer Mann zu sein«, sagt Miss Winters mit
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