Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
beschützen.«
»Amy …«
»Sie sollen unsere Familie beschützen, Paul. Und ich werde herausfinden, welcher von ihnen eine Macke hat …«
Eine Hand legt sich auf meine Schulter, und als ich aufsehe, erblicke ich Onkel Ben, der mit einer Tasse Tee neben mir steht. »Komm, Evie. Wir gehen kurz in den Garten. Lass uns ein bisschen Laub harken für deine … für Amy und Paul.«
Während wir arbeiten, kann ich ab und zu Wortfetzen hören.
Wir haben schon bald einen beeindruckend großen Haufen Laub zusammengeharkt. Ich starre ihn seufzend an und trotte dann los, um einen der Kompostsäcke aus dem Schuppen zu holen. Ich wage es nicht, Onkel Ben mit Laub zu bewerfen. Das würde ihn vielleicht aufheitern, aber er hätte vielleicht auch das Gefühl, dass ich pietätlos bin. Also unterlasse ich es lieber – jeder darf sich einmal im Jahr von einer nicht so ausgelassenen Seite zeigen.
Ich halte den Sack auf, und Onkel Ben will einen ganzen Armvoll Laub hineintun – da stehe ich plötzlich in einem Orkan aus Blättern. Ich lache und spucke, und noch bevor alle Blätter zu Boden gesegelt sind, renne ich zum Haufen, um mich auch mit Munition zu versorgen.
Schließlich lassen wir uns ins Gras fallen, Arme und Beine ausgebreitet, und zum Zeichen meines Sieges lege ich den Kopf auf Onkel Bens Bauch. Ich schaue zu den grauen Wolken auf, während wir beide lachend um Atem ringen, und tue so, als würde ich das untergründige Schluchzen in Onkel Bens Lachen nicht bemerken. Nach einer Weile taste ich nach seiner Hand und verschränke meine Finger mit den seinen.
»Ich habe dich sehr lieb, Evie«, japst Onkel Ben, und er stößt die Wörter so ruckartig aus, dass sie erzürnt, ja fast wütend klingen.
Ich drücke seine Hand. »Ich auch.«
» Ich auch?«, fragt Onkel Ben mit fast normaler Stimme. » Ich auch? Soll das heißen, dass du dich auch lieb hast?«, fragt er und richtet sich auf, um sich über mich zu beugen und mich zu kitzeln, und ich drücke mich kreischend gegen ihn.
Als er aufhört, rolle ich mich so herum, dass ich die Arme um seine Brust legen kann. »Ich habe dich auch lieb.«
Onkel Ben küsst mich auf den Kopf.
Ich höre nicht, wie die Haustür geöffnet wird, obwohl ich die ganze Zeit gehorcht habe.
»Was, um Himmels willen, machst du da, Evie?«, ruft Amy die Treppe hinauf. »Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht auf irgendwelchen Sachen herumturnen sollst, wenn du allein zu Hause bist.«
»Du hast gesagt, ich soll keinen Stuhl benutzen. Du hast gesagt, das ist nicht stabil genug.«
»Ja, aber das heißt nicht, dass du stattdessen auf der Trittleiter balancieren sollst! Evie, mein Liebes, ich weiß, dass es dir viel besser geht, und das freut mich, aber du musst trotzdem noch aufpassen .«
Sie lässt ihre Einkäufe vor der Treppe auf den Fußboden sacken und kommt nach oben, um mir beim Einklappen der Trittleiter zu helfen.
»Was tust du hier oben am Schrank? Oma Suzie hat erzählt, dass sie am letzten Wochenende fast fünf Minuten vor der Tür warten musste – du hast die Klingel nicht gehört, obwohl ich dir gesagt habe, dass sie um sechzehn Uhr kommt. Was suchst du hier?«
Ich zucke mit den Schultern, und als ich wegschaue, fange ich zufällig Pauls Blick auf. Er grinst und zieht dann ein Gesicht und huscht wieder hinaus, um die übrigen Tüten aus dem Auto zu holen.
Ich drehe mich zu Amy um, aber sie schaut mit gerunzelter Stirn zur Decke auf. »Da die Trittleiter hier steht, kann ich wohl ebenso gut noch einmal nach dem Rauchmelder schauen«, sagt sie. »Unfassbar, dass die Batterie noch nicht alle ist.«
»Sie war alle«, sage ich.
Amy blinzelt mich verblüfft an. »Aber ich habe kein Piepen gehört. Warum hast du mir nichts gesagt , Evie, Schätzchen?«
»Weil ich schon eine neue aus der Schublade geholt und eingesetzt habe.«
»Oh, Evie, du musst aufpassen. Hast du die neue Batterie auch richtig eingesetzt? Hast du zur Probe auf den Knopf gedrückt?«
»Das überprüfen wir später«, sagt der unten vor der Treppe stehende Paul entschieden.
»Aber Paul, Liebling …«
»Wenn das Haus in Brand gerät, während wir wach sind, werden wir das merken. Wir können den Melder vor dem Zubettgehen gründlich prüfen, aber ich bin überzeugt, dass Evie alles richtig gemacht hat. Und nun komm. Du musst löschen, falls ich das Essen entflamme.«
Amy seufzt tief auf, klappt die Trittleiter zusammen und trägt sie nach unten. Ich trippele hinterher und bringe die Einkäufe in die
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