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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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können?
    Raine prallte gegen jemanden und wandte sich ab, während sie eine Entschuldigung murmelte. Sie musste einfach genauso weitermachen. Infiltrieren. Zumindest war sie nicht verrückt und hatte keine Wahnvorstellungen. Sie war einer fürchterlich realen Sache auf der Spur, egal, wie unglaublich sie schien. Sie musste dranbleiben. Ein Mann drehte sich um und starrte sie an, als sie an ihm vorbeiging. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, gerade lang genug, um ihn sich einzuprägen, ohne offensichtliches Interesse zu zeigen. Im Bruchteil einer Sekunde, nachdem sie den Blick wieder abgewendet hatte, begann sich ihr Magen umzudrehen.
    Es gab keinen Grund dafür. Sie hatte den Mann noch nie zuvor gesehen. Sie führte sich noch einmal alles vor Augen, was sie bei diesem kurzen Blick wahrgenommen hatte. Er war groß, mit einem mächtigen Bauch, hatte dünnes dunkles Haar, war glatt rasiert und trug eine Zweistärkenbrille. Es war nichts Besonderes an ihm, außer seinem Gesichtsausdruck – es war nicht die Miene eines lediglich interessierten Mannes gewesen. Er hatte entsetzt ausgesehen.
    Sie drehte sich um, um ihn noch einmal anzusehen. Er lief den Flur hinunter, fort von ihr, sehr schnell. Er rannte fast. Dann verschwand er durch die Tür, aus der sie gerade gekommen war. Die Tür zu Bill Haleys Büro.
    Sie drehte sich wieder um und ging weiter, zitternd vor aufsteigender Panik. Sie hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Das verschwommene Grün, die Schreie. Das alles machte keinen Sinn. Warum bekam sie eine Panikattacke, nachdem sie kurz einen Blick auf einen harmlosen Mann mittleren Alters geworfen hatte? Vielleicht drehte sie jetzt wirklich durch.
    Die beste Möglichkeit war die einfachste und die direkteste, sagte sie sich. Sie konnte zurück zu Haleys Büro gehen, klopfen und den Mann fragen, ob sie einander von irgendwoher kannten. Entweder würde das der Fall sein oder eben nicht. Raine drehte sich um und machte einen zögernden Schritt in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    Ein lautes Knacken ertönte. Sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Hand und zog sie aus der Manteltasche. Sie hatte die Froschbrille so fest umklammert, dass einer der Bügel abgebrochen war. Das Metallstück hatte sich in ihre Handfläche gebohrt, tief genug, dass sie blutete.
    Vertrau deinen Instinkten , hatte Victor gesagt. Wenn man ihnen vertraut, werden sie stärker. Sie schob die Brille zurück in ihre Tasche und lief zum Treppenhaus. Es war das Einzige, was sie tun konnte, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen.

 
    15
    »Ah. Da sind Sie ja. Harriet hatte mir gesagt, Sie seien beim Arzt. Offensichtlich geht es Ihnen aber besser.«
    Raine blickte von ihrem Handy auf, in das sie gerade eine SMS an Seth tippen wollte. Sie steckte es in die Tasche, ohne die Nachricht abzuschicken, und zwang sich dazu, Victors beflissenes Lächeln zu erwidern.
    »Mir geht es gut, danke«, versicherte sie ihm.
    »Sie können gern jederzeit meinen Hausarzt konsultieren.«
    »Nein, wirklich, es geht mir gut«, wiederholte sie.
    »Das freut mich zu hören. Ich gehe also davon aus, Sie sind fit genug, um heute Nachmittag mit nach Stone Island zu fahren. Ich brauche bei einem dringenden Projekt Ihre Hilfe.«
    Innerlich hörte Raine sofort, was Seth dazu sagen würde, und zuckte unmerklich zusammen. »Ich … äh, nun … so kurzfristig weiß ich nicht …«
    »Machen Sie sich keine Gedanken, Sie brauchen nichts mitzunehmen. Es wird für alles gesorgt sein. Der Wagen wartet und bringt Sie zum Jachthafen. Wir treffen uns dann auf der Insel, sobald ich noch ein paar geschäftliche Dinge erledigt habe. Ich erwarte Ihre volle Konzentration. Es gibt eine Menge zu tun.« Damit drehte er sich um und ging davon, ohne ihre Antwort abzuwarten.
    Bestürzt sah Raine ihm nach. Harriet kam zu ihrem Schreibtisch und beugte sich mit einem falschen Lächeln vor. »Keine Sorge«, zischte sie. »Es wird für alles gesorgt sein.«
    Raine hob das Kinn und funkelte die Frau wütend an – ihr war speiübel von all der giftigen Feindseligkeit. »Sind Sie es nicht langsam leid, als eine solche Zicke durchs Leben zu gehen, Harriet?«, erkundigte sie sich. »Laugt einen das nicht völlig aus?«
    Ihre Stimme klang viel lauter, als sie es beabsichtigt hatte. Wie der elektromagnetische Impuls einer Wasserstoffbombe breitete sich schlagartig erschrockene Stille aus. Kein Blatt Papier raschelte. Selbst die Telefone hörten auf zu klingeln. Das ganze Büro wartete

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