Die Nacht Hat Viele Augen -1-
»Erwartet heute Abend nicht von mir, dass ich irgendeinen Sinn für Humor habe.«
»Du hattest noch nie Sinn für Humor«, bemerkte Sean. »Warum ziehst du die Möglichkeit nicht einmal in Erwägung, dass sie dich nicht anlügt?«
Der Whiskey und die Erschöpfung brachten ihn dazu, dass er einfach die Wahrheit sagte. »Ich darf das nicht in Erwägung ziehen. Ich möchte es einfach viel zu sehr.«
»Ah. Dann willst du damit sagen, dass du ein Schisser bist«, stellte Sean fest.
Seth war zu müde und zu deprimiert, um darauf zu reagieren. »Ich bin lieber ein misstrauischer Bastard und gehe auf Nummer sicher. Dann lebe ich nämlich länger.«
»Ja, vielleicht. Aber was hast du dann noch vom Leben?«
Seth machte sich nicht mal die Mühe, ihm einen wütenden Blick zuzuwerfen. »Es ist völlig egal«, sagte er stumpfsinnig. »Ob sie es nun getan hat oder nicht, sie wird in der Kammer bleiben, bis alles vorbei ist. Ich folge der Waffe allein. Ich stelle mich den Konsequenzen dessen, was ich getan habe, was allerdings nicht bedeutet, dass ihr das auch müsst.«
Davy kippte sich noch einen Whiskey ins Glas. »Jetzt sei kein melodramatisches Arschloch, Mackey. Es ist nicht deine Sache, wie wir uns entscheiden.«
Seth starrte in den bernsteinfarbenen Alkohol. »Ihr braucht nicht aus unangebrachter Loyalität gegenüber Jesse euer Leben zu riskieren. Er ist tot. Er braucht euch nicht mehr.«
»Nein, aber du«, erwiderte Connor. Er beugte sich vor und stupste Seth mit einem Finger gegen die Schulter. »Es ist nicht für Jesse. Es ist für dich. Frag mich nicht, warum. Du bist eine Nervensäge, und wir müssen uns wirklich noch mal über deine Manieren unterhalten, aber das ist auch alles. Ich bin dabei, Kumpel.«
Seth verschluckte sich an dem Whiskey. Er musste derart husten, um wieder Luft zu bekommen, dass seine Seite höllisch schmerzte. »Hey, ich weiß diese Einstellung wirklich zu schätzen, aber ich bin an einem Punkt, wo es mir völlig egal ist, ob das eine Falle ist, verstehst du? Ich möchte einfach nur, dass es vorbei ist. Ich will aus dem Spiel aussteigen. Ich kann die Verantwortung nicht übernehmen, und ich will eure Hilfe nicht.«
»Was für ein Ärger«, bemerkte Davy.
»Ich bin dabei«, meldete Sean sich zu Wort.
»Ich auch«, erklärte Connor und hob mit einem Grinsen sein Glas.
Davy funkelte ihn an. »Nicht du, mein Freund. Du humpelst immer noch auf einer Krücke herum. Du wirst überhaupt nirgends hingehen. Du hast Wachdienst.«
»Einen Teufel hab ich.«
»Nein«, erklärte Davy entschieden und ganz der große Bruder. »Zur Not binde ich dich fest.«
»Lass uns eine Runde darum pokern«, bettelte Connor.
»Klar, und du schummelst dann wieder, du heimtückischer Bastard. Die Sache ist nicht verhandelbar, also vergiss es einfach …«
Das Gespräch entwickelte sich schnell zu einem heftigen Streit zwischen Brüdern. Seth schaltete seine Ohren auf Durchzug und starrte ins Feuer. Der Whiskey wärmte ihn von innen und entspannte ihn ein wenig, während er seinen eigenen Gedanken nachhing. Nur ein lebensmüder Idiot würde einem Sender zu irgendeinem unbekannten Ziel folgen, um sich dort einer unbekannten Zahl von Gegnern mit unbekannter Ausrüstung zu stellen. Die Wahrheit war, dass er die McClouds niemals in die eigentliche, die letzte Phase hatte mit hineinziehen wollen. Es war immer seine Absicht gewesen, das Finale ganz allein zu bestreiten.
Inzwischen schnauzten sich die Brüder an, und er meldete sich wieder zu Wort. »Lasst mich das selbst zu Ende bringen, Jungs. Dann wird mich niemand mit euch in Verbindung bringen, wenn es schiefgeht.«
Seine Worte hallten in der plötzlichen Stille nach.
»Ja, stimmt«, sagte Connor langsam. »Und was sollen wir mit Blondie machen? Sie wie Rapunzel in der Dachkammer festhalten?«
»Oh Gott.« Seth rieb sich die Augen. »Ich habe nicht die leiseste Idee. Was für ein Scheiß. Gott. Es tut mir leid, Jungs.«
Ein paar Minuten war nur das Prasseln und Knacken des Feuers zu hören. »Ich weiß, warum du sie hergebracht hast«, sagte Connor leise. »Und du hast das Richtige getan.«
»Ach ja?«
»Ja. Du hast sie hergebracht, damit sie in Sicherheit ist.«
Seth schüttelte den Kopf. Aber es bedeutete nicht, dass er anderer Meinung war. »Ich bin ein Idiot.«
»Du bist nicht der erste und wirst nicht der letzte sein«, erklärte Davy.
»Wenn ich du wäre, würde ich jetzt rauf in die Kammer gehen und ein paar nette Stunden mit meiner Lady
Weitere Kostenlose Bücher