Die Nacht Hat Viele Augen -1-
einfach nicht.«
»Ich versteh dich, Mann«, sagte Sean mitfühlend. »Sie ist echt anstrengend. Aber ich muss schon sagen, das Mädchen ist nicht unterzukriegen. Ich frage mich, was sie mit Connor gemacht hat. Oh Mann. Ich hoffe, sie hat ihn nicht verletzt.«
»Halt den Mund, Sean. Wie läuft die Jagd, Davy?«
»Ich habe ein paar der Vögel erwischt. Sind schon zum Abtransport verpackt.«
»Wie nah bist du am Haus?«
»Ungefähr hundert Meter«, erwiderte Davy.
Seth versuchte, jedes Gefühl zu verbannen, damit ausschließlich seine Instinkte wieder das Ruder übernehmen konnten. Aber es war hoffnungslos, die reine Hölle. Immer wieder tauchte Raine vor seinem geistigen Auge auf, wie sie weggezerrt wurde, ihm in die Schusslinie geriet und ihn mit ihrer Schönheit benebelte. Das war ihre besondere Gabe – sie konnte etwas, das so klar und eindeutig schien wie ein Schuss, in etwas verteufelt Kompliziertes verwandeln.
»Geh näher ran«, zischte er. »Ich habe mir was überlegt …«
Kurt Novak starrte auf den Bildschirm, der ihm die Bibliothek zeigte, wo Victor Lazar wartete. Der Mann saß bequem in einem gepolsterten viktorianischen Lehnstuhl und rauchte eine Zigarette. Völlig entspannt. Er glaubte offenbar, dass er seinen Gegner schachmatt gesetzt hätte. Wie befriedigend es sein würde, ihn kriechen und betteln zu sehen.
Es war riskant, das Meeting in diesem Haus abzuhalten, aber Novak hatte sich zu lange in fensterlosen Löchern versteckt. Es reichte. Er wählte Riggs Nummer, ein letztes Mal. Immer noch nichts. Riggs hatte versagt, sogar mithilfe eines der begabtesten Auftragskiller. Der Liebhaber des Mädchens musste sehr erfahren sein.
Das Timing des Spiels war aus dem Ruder gelaufen. Wie ärgerlich. Der Kellerraum war vorbereitet, und er hätte das Mädchen gern dort gehabt, um mit Victor wie mit einem Fisch an der Angel zu spielen. Doch nun musste er offensichtlich improvisieren. Aber ungewisse Resultate ließen auch immer Raum für Geniestreiche.
In jedem Fall würde Riggs für seine Unfähigkeit bezahlen. Oder vielmehr seine Tochter würde dafür bezahlen. Novak tippte Georgs Nummer in sein Telefon. Er wollte, dass Georg sich etwas ganz Besonderes für das Mädchen einfallen ließ.
Ein Funkgerät piepte. Er griff danach. »Ja?«
Er lauschte, was der Mann ihm zu sagen hatte, und begann zu lachen. Dann wandte er sich dem Monitor zu und klickte eins der Fenster groß.
Innerhalb von Sekunden erschien Karl auf dem Bildschirm. Er hatte die kleine Lazar bei sich. Er sagte etwas und riss ihren Kopf an den Haaren zurück, bis sie hinauf in die Kamera blickte, die schönen Augen voller Trotz.
Sie sah ein wenig lädiert aus, aber bei ihrem Anblick lief ihm nach wie vor das Wasser im Mund zusammen. Diese vollen, zitternden Lippen. Die blasse Haut, auf der er seine Spuren hinterlassen würde. Er hatte den wertlosen Riggs also am Ende gar nicht gebraucht. Und seinen besten Killer hatte er umsonst verloren. Das Mädchen war ganz von allein zu ihm gekommen.
»Bring sie zu mir«, sagte er. Er konnte es kaum erwarten, sein lästiges Geschäft mit Lazar zu Ende zu bringen.
Und dann konnte seine Show beginnen.
Sie kam sich so dämlich vor und hatte gleichzeitig unglaubliche Angst. Novak drehte ihr die Handgelenke auf den Rücken. Heißer Schmerz schoss ihr durch den Körper, und für einen Moment war sie kurz davor, in Ohnmacht zu fallen, bevor Novak sie zwang weiterzugehen.
Karl, der Schläger, der sie geschnappt hatte, öffnete eine schwere Mahagonitür und trat zur Seite, um sie hindurchgehen zu lassen. Er musterte sie lüstern, als sie an ihm vorbeigeschoben wurde. Sie spürte immer noch seine feuchten Hände auf ihrem Körper und fragte sich, ob sie dieses Gefühl jemals würde abwaschen können.
Noch viel wichtiger war jedoch, ob sie überhaupt die Gelegenheit dazu bekommen würde.
Victor wartete in der großen heruntergekommenen Bibliothek. Seine Miene war grimmig, und es schien ihn nicht zu überraschen, sie zu sehen. Karl und ein weiterer von Novaks Männern stellten sich rechts und links von ihm auf.
»Hallo Kurt«, sagte Victor. »Sind diese Unannehmlichkeiten wirklich notwendig?«
»Die meisten Unannehmlichkeiten sind es, Victor«, erwiderte Novak. »Bitte vergiss nicht, dass du selbst mich in diese Situation gebracht hast. Du kannst nur dir selbst die Schuld daran zuschreiben.«
Victor sah ihr in die Augen. Ein Lächeln glitt über seine Lippen. »Guten Morgen, Katya«, sagte er. »Es
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