Die Nacht Hat Viele Augen -1-
bekümmert mich, dich hier zu sehen, aber es überrascht mich nicht. Immer musst du im Mittelpunkt stehen, nicht wahr? Du kannst nicht einfach am Rand bleiben, wo es sicherer ist?«
»Du hast mich auf dem Monitor gesehen, oder?« Wenn sie noch etwas Sinnvolles tun konnte, dann bestand es darin, die allgemeine Aufmerksamkeit von Seth abzulenken.
»Ja.« Victor musterte sie von Kopf bis Fuß. »Dein Gefühl für einen persönlichen Stil entwickelt sich mit Lichtgeschwindigkeit, meine Liebe. Aber ich muss dir sagen, auch wenn dieser Gammellook seinen Charme hat, so ziehe ich Dolce & Gabbana doch vor.«
»Ich sehe so aus, weil ich mich gegen Ed Riggs verteidigen musste«, sagte sie.
Victors ironisches Lächeln erstarrte zu einer Maske. »Riggs hat dich angegriffen?«
»Jeder greift mich an«, murmelte sie wütend.
Novak verdrehte ihr den Arm, und mit einem wütenden Zischen bog sie sich nach hinten.
»Hör auf zu jammern«, sagte er. »Riggs arbeitet jetzt für mich. Er hat mir gestern Abend die ganze schmutzige Geschichte erzählt. Verführung, Erpressung, Mord. Was für eine Familie! Wenn es um dreckige Geheimnisse geht, übertrifft sie sogar meine eigene.«
Raine sah Victor in die Augen. »Es ist also wahr.«
Victor zuckte die Schultern. »Nur ein kleiner Teil einer viel größeren Wahrheit«, erwiderte er kühl. »Ich gratuliere dir dazu, dass du ihn abgewehrt hast, Katya. Ich bin mir sicher, dass du dem Idioten haushoch überlegen warst. Ich hoffe, du hast ihn getötet.«
Heiß glühender Schmerz schoss ihr durch den Arm, als Novak sie langsam auf die Knie zwang. »Nein«, krächzte sie. »Das ist nicht mein Stil.«
»Nicht?« Victor schien enttäuscht. »Wahrscheinlich muss man deine Unerfahrenheit berücksichtigen. Um Himmels willen, Kurt, lass das arme Mädchen aufstehen. Diese Dramatik ist doch völlig überflüssig.«
»Zart besaitet, was?« Novak stieß ihr den Lauf seiner Waffe unters Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Du und ich werden ein paar aufregende Spiele spielen«, flüsterte er. »Gewöhn dich lieber an diese Position.«
Sie schaffte es kaum, den Kopf zu schütteln. »Niemals!«, zischte sie.
»Genug!« Victors Stimme war schneidend. »Das ist einfach vulgär und unnötig. Sprechen wir über die Bedingungen.«
Mit einem zufriedenen Lächeln zog Novak sie wieder auf die Füße. »Wie untypisch für dich, gleich auf den Punkt zu kommen, Victor. Normalerweise drehst du dich erst mal stundenlang im Kreis. Offenbar bist du nervös. Fühlst du dich unwohl? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Genug«, wiederholte Victor mit harter Stimme. »Was willst du?«
Novak beugte sich zu Raine hinunter, nahm ihr Ohrläppchen zwischen die Zähne und biss immerhin so fest zu, dass sie aufschrie. »Alles, mein Freund. Die Waffe. Die Videobänder – und zwar alle. Deine Nichte. Deinen Stolz, deinen Seelenfrieden, deinen Schlaf. Alles will ich.«
Victor gab einen ungeduldigen Laut von sich. »Jetzt werd bloß nicht melodramatisch. Wir machen seit Jahren auf freundschaftlicher Basis Geschäfte miteinander. Woher diese plötzliche Feindseligkeit?«
Novak setzte eine gekränkte Miene auf.
»Aber du hast unsere Freundschaft verraten, Victor. Du hast mit meinen Gefühlen gespielt. Und jetzt werde ich mit deinen spielen.«
Victor hielt seinem Blick unerschütterlich stand. »Katya, es tut mir sehr leid«, sagte er sanft. »Das hast du nicht verdient.«
Raine wand sich und versuchte, Novak zu entkommen, als er seine Zunge in ihr Ohr stieß. Doch dann erstarrte sie, als er mit der Mündung seiner Waffe über die Unterseite ihres Kinns strich.
»Das ist verdammt richtig«, sagte sie hitzig.
»Deine Nichte ist sogar noch erregender als Belinda Corazon«, bemerkte Novak. »Wilder, eine größere Herausforderung. Ich freue mich darauf, mir das Video anzusehen, Victor. Mal sehen, was für Gefühle es bei mir hervorruft, damit ich einen Vergleich habe.«
Ihr Gespräch im Tresorraum schoss Raine plötzlich wieder durch den Kopf, Wort für Wort, und gleichzeitig traf sie die Erkenntnis.
Victor hatte dieses Monster mit einem seiner Träume geblufft. Er besaß überhaupt kein Video. Sie blickte ihm in die Augen und erkannte darin die fürchterliche Wahrheit. Worte waren überflüssig. Es gab keinen Ausweg aus dieser Kammer des Schreckens.
»Hast du das gemeint, als du mir gesagt hast, dass die Träume der Lazars nützlich sein können?«, fragte sie.
»Dies ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um mich
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