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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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eine ganze Menge Papier, und der Koffer hatte ein ziemliches Gewicht bekommen. Als mir beim Einpacken die Flasche Eau de Cologne in die Finger kam, wunderte ich mich über mich selbst. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe, als hier ausgerechnet eine Flasche Eau de Cologne mitzunehmen!
    Ich hatte die Tür zur Diele offengelassen, und nun war es mir wieder, als hörte ich ein Geräusch. Aber vielleicht war es auch nur mein eigener Puls, der in den Ohren klopfte. Oder war es Francois? Der würde Augen machen!
    Ich griff tief in das Schubfach, um mich zu vergewissern, daß ich alles hatte. Meine Finger stießen ganz hinten auf ein Bündel Papier. Ich dachte schon, ich hätte wieder Geld gefunden, und zog das Bündel erfreut hervor. Aber ich merkte sofort, daß es keine Geldscheine waren. Ich machte wieder kurz Licht und sah, daß ich ein dickes Paket Quittungen in der Hand hielt. Schon wollte ich sie enttäuscht in meinen Koffer werfen, als ich gerade noch beim Schein des verlöschenden Streichholzes einen Namen las.
    Ich spürte, wie mein Herz aussetzte und mir der kalte Schweiß auf die Stirn trat. Dieser Name! In meinem ganzen Leben würde ich ihn nicht vergessen.
    Ich verstaute die Quittungen in meiner Gesäßtasche. Dann hatte ich es eilig. Ich hatte viel, viel mehr gefunden, als ich gehofft hatte! Fast empfand ich etwas wie Dankbarkeit gegenüber Alexandre, der mir nun, nach seinem Tode, durch seine pedantische Art, alles zu sammeln und aufzuheben, noch zu einer Rehabilitierung verhelfen würde.
    Ich schloß den Koffer, schnallte die Riemen zu, und als ich das Zimmer verlassen wollte, sagte eine Stimme:
    »Stelle das alles nur mal wieder schön hin, mein Junge! Und nimm die Pfoten in die Höhe — schnell — sonst knallt’s!«
    Das war nicht Francois.
    Kriminalpolizei?
    Ich hob langsam die Hände. Der andere stand im Dunkeln, und wahrscheinlich sah er mich gegen die Vorhänge recht gut.
    Kriminalpolizei?
    Mein Hirn arbeitete fieberhaft. Warum machte er kein Licht?
    Polizei? Nein, die Polizei würde das Licht einschalten.
    »Vielleicht«, sagte ich, »machen wir mal Licht. Das würde die Lage klären.«
    »Die ist vollkommen klar«, sagte der Mann. Es war bestimmt nicht Francois’ Stimme. Er kam langsam näher, ich konnte seinen Umriß erkennen. Er war ziemlich groß und hatte einen Hut auf. Das war bestimmt keine Polizei. Es mußte einer von Pierres Leuten sein, den ich nicht kannte. Sicherlich war Francois nicht selbst gekommen, sondern hatte diesen Mann geschickt.
    »Ich vermute«, sagte ich, »daß es für uns beide nicht sehr zweckmäßig ist, allzu lange hier zu bleiben.«
    »Schieb den Koffer mit dem Fuß zu mir«, befahl er. Er stand etwa zwei Meter vor mir. Ich konnte nicht sehen, ob er wirklich eine Pistole hatte, aber es war sehr wahrscheinlich.
    Ich schob ihm den Koffer zu.
    »So«, sagte er, »und jetzt laß deine Hände oben. Ich will mal ein wenig nachsehen, was du sonst noch alles — «
    Er war langsam nähergekommen und stand nun dicht vor mir. Ich spürte den Druck von etwas Hartem auf meiner linken Brust.
    »Dummerweise«, sagte ich, »habe ich alles in den Koffer gepackt. Aber in meiner rechten Jackentasche steckt eine Pistole — wenn Sie die brauchen können?«
    Er griff in die Tasche und holte Alexandres kleine Pistole heraus. Ich merkte, daß er einen Augenblick unvorsichtig war. Mit aller Kraft, die mir zur Verfügung stand, warf ich mich auf ihn und drückte ihm den Arm mit der Pistole zur Seite. Er war anscheinend nicht darauf gefaßt gewesen, und ich bekam seine Pistole in die Hand.
    Ohne mich auch nur eine Sekunde zu besinnen, schlug ich ihm damit auf den Kopf.
    Ich weiß genau, daß ich mir nichts anderes dabei dachte, als ihn loszuwerden, und daß ich erstaunt war, wie leicht das ging. Er japste ein paarmal, dann lag er ganz still. Ich faßte in seine Taschen und brachte einen Ring mit erstklassigen Dietrichen zum Vorschein. Außerdem steckte ich noch seine Brieftasche zu mir. Seine Pistole nahm ich ebenfalls an mich. Ich konnte nun bald einen Waffenhandel beginnen.
    Ich schlich in die Toilette, wo ich überlegte, wie ich am besten mit dem Koffer hinauskommen könnte. Schließlich glaubte ich, die beste Methode gefunden zu haben.
    Ich stellte den Koffer auf das Klosett, kletterte durch das Fenster, drehte mich um und hob den Koffer aufs Fensterbrett. Dann stieg ich von der Abfalltonne herunter und hob den Koffer herunter. Wieder wartete ich etwa eine halbe Minute, und als alles still

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