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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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blieb, schlich ich mit meinem Koffer ins Gebüsch. Es ging alles prachtvoll.
    Ich verfolgte den gleichen Weg, den ich gekommen war, aber dann trat genau das ein, woran ich auf meinem Herweg flüchtig gedacht hatte: ich stand urplötzlich einem riesenhaften Hund gegenüber.
    Im ersten Augenblick schien es, als wären wir beide gleichermaßen erschrocken; aber dann fing der Hund ein fürchterliches Gebell an. Ich erkannte blitzschnell, daß ich laufen mußte, nur laufen, so rasch ich konnte. Ich warf den Koffer auf den Hund, der aufjaulend zurückwich, dann schwang ich mich über den Zaun zurück, über den ich gerade gekommen war, und rannte zur Straße. Der Hund verfolgte mich hinter dem Zaun mit rasendem Gebell. Ich erreichte die Straße und ging in entgegengesetzter Richtung davon. Dann überquerte ich die Straße und verschwand in den Anlagen des Parks von Issy. Ich hörte den Hund noch lange bellen.
    Schade! Es tat mir leid um die schönen Sachen; sogar um die Flasche Eau de Cologne! Trotzdem war ich in bester Stimmung. Ich hatte die Akte Mignard, und ich besaß die Akten über meinen Prozeß und die Quittungen mit dem Namen: Carrel Patisse. Ich pfiff vor mich hin. Es war erst viertel nach zwölf.

    Wie lange er schon hinter mir hergegangen war, weiß ich nicht; ich entdeckte ihn erst, als ich kurz vor dem Ende des Parks war. Ich ging weiter, als ob ich ihn nicht bemerkt hätte, aber unter einer Laterne blieb ich stehen und zündete mir eine Zigarette an. Er war ungefähr zwanzig Meter hinter mir, blieb aber nicht stehen, sondern kam heran.
    Es war Francois.
    »Pech gehabt«, sagte ich, als er in den Schein der Laterne trat, »wir haben beide Pech gehabt.«
    »Scheint so«, meinte er und spuckte den Zigarettenstummel aus, um sich eine neue anzuzünden.
    »Und ich hatte so schöne Sachen in dem Koffer. — Hast du alles mitgekriegt?«
    Er nickte.
    »Ich hörte dich drinnen rumoren. Vorsichtig warst du nicht, das muß ich schon sagen. Und dann sah ich dich mit diesem Schiffskoffer rausklettern. Ich hätte ihn dir bestimmt abgenommen.«
    »Vielleicht!« bestätigte ich, »und du hättest dich über den Inhalt gefreut. Denke doch, die komplette Akte Mignard!«
    Francois schnitt eine Grimasse.
    »Das ist eine ganz elende Sauerei.«
    Wir standen einander gegenüber wie zwei Hunde, die noch nicht genau wissen, ob sie sich vertragen oder miteinander raufen sollen.
    »Ja«, sagte ich, »das ist wohl eine Sauerei. Die Leute werden den Koffer der Polizei übergeben.«
    Er nickte betrübt.
    »Du bist ein seltenes Exemplar von Idiot!« knurrte er, »einen ganzen Koffer voll zu packen! Für deine Aussteuer hättest du auch ein andermal sorgen können.«
    »Mir ist es egal, Francois, ob der Staatsanwalt die Akte Mignard in die Hände bekommt oder nicht.«
    »So«, fauchte er, »warum bist du dann hinter ihr her?«
    »Das hat einen andern Grund. Vielleicht aber kommt der Staatsanwalt von selber drauf. — Übrigens: glaubst du, daß er dicht hält?«
    »Wer?«
    »Na, dieser Amateur, den ihr da hinter mir hergeschickt habt.«
    »Dieser — wer? Wovon sprichst du?«
    Er schien tatsächlich erstaunt.
    »Ich hab’ doch drin einen fertiggemacht«, sagte ich, »er wollte auch den Koffer.«
    Ich sah, daß er ehrlich überrascht war.
    »Wir haben niemand — ich war allein. Ich kam und hörte jemanden im Haus, du warst nicht gerade leise, und — «
    »Das war, als ich ihm eins auf den Kopf geknallt habe.«
    »Und dann dachte ich, daß nur du das sein konntest, und wartete. Ich hätte dir schon alles abgenommen, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ja«, sagte ich, »aber nun haben wir beide nichts. Doch — etwas habe ich.«
    Ich holte meine drei Pistolen aus der Tasche.
    »Fein, was?« sagte ich. »Jetzt kann ich Gustave seine wieder zurückgeben und habe immer noch zwei. — Aber wer könnte das gewesen sein?«
    Ich hatte ja seine Brieftasche, aber es ging mir darum, Francois in dem Glauben zu lassen, ich hätte alles in dem Koffer gehabt.
    »Keine Ahnung«, sagte er, »von uns war’s bestimmt niemand.«
    Er rauchte nachdenklich, und ich sah, wie es in seinem Gesicht nervös zuckte.
    »Zu dumm ist das«, meinte er, »der Teufel soll dich holen! Nun ist Labourusse geplatzt, Pierre auch, und ich — «
    »Du hast Alexandre umsonst umgebracht«, sagte ich ruhig.
    Er starrte mich an; seine vortretenden Augen waren weit aufgerissen.
    »Ja«, fuhr ich fort, »mir kannst du nichts vormachen. Ich bin dir in die Quere gekommen, mein

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